Freitag, Dezember 28, 2007

Selbstverhinderung

Da ist sie wieder, die Angst vor dem leeren weißen Blatt, auch wenn es nur so tut, als sei es ein weißes Blatt. In Wirklichkeit hat es mit Papier nichts zu tun, dieses Ding. Aber es tut nun mal so. Und leer bleibt es auch.
Dabei ist alles schon fertig: die Figuren, die Geschichte. Ein zweiseitiges Exposé, genaue Charakterbeschreibungen, exakte Ortsrecherche. Sogar die Seitenzahl ist vorgegeben, und es sind gar nicht mal so viele Seiten.
Vielleicht ist gerade das das Problem der Kurzgeschichte: Sie ist kurz. Und weil sie so kurz ist, wird einem keine Seite, kein Abschnitt, kein Satz, ja auch kein Wort verziehen. Die Schwellenangst steigt. Statt einfach anzufangen und auszuprobieren – was kann schon passieren, es ist nur ein kurzer Text, man kann wieder von vorne anfangen und hat nicht viel verloren – statt also einfach anzufangen, kommt der Prokrastinationswahn. Ich versuche, mich mit mir auf eine Erzählperspektive zu einigen und entscheide dann, dass es viel wichtiger ist, mir auf Ebay Handtaschen anzusehen, die ich mir sowieso nicht leisten kann. Oder ich fange an, Bücher zu lesen, die ich im Normalfall nach fünf Seiten der Leihbücherei stiften würde. Mein Prokrastinationswahn verhält sich antiproportional zur Aufgabe, wie mir scheint. Statt Romanschreiben wasche ich Wäsche. Statt Kurzgeschichteschreiben plane ich meinen Umzug.
Ich plane also meinen Umzug. Das mit Berlin und mir – so sehr ich es liebe, so sehr macht sich das Gefühl breit, dass wir ein wenig auf Distanz gehen sollten, diese Stadt und ich. Vielleicht wird man träge, wenn man zu früh dort ist, wo man die ganze Zeit hinwollte. Vielleicht bin ich bindungsunfähig. Vielleicht passen wir doch nicht zueinander. Vielleicht bin ich, wenn ich ehrlich bin, doch irgendwie enttäuscht. Ich probiere es aus, kündige meine Wohnung und suche mir eine neue Stadt mit einer neuen Wohnung.
Umziehen birgt so viel Prokrastinationspotential, dass ich mich – theoretisch – in den nächsten Monaten vor Arbeit nicht retten können dürfte. Es ist ein Experiment.
Das Papier, das eigentlich keins ist, bleibt so lange weiß, bis ich gezwungen bin, mich um Dinge wie Mietverträge zu kümmern. Dinge, die so wichtig sind, dass sich das Prokrastinieren wieder einschleicht, und so lande ich wieder bei dem leeren weißen Blatt, das seit einiger Zeit auf die Endung .docx hört, und schreibe meine Kurzgeschichte.

3 Kommentare:

albertsen hat gesagt…

Eine neue Stadt? Und du hast mir so von Berlin vorgeschwärmt...

Henrike hat gesagt…

ja aber irgendwie... du weißt doch... das muss jetzt einfach.

albertsen hat gesagt…

Ich weiß, ich weiß... Es ist sicher die richtige Entscheidung!