Freitag, Januar 25, 2008

Crime Time

Das ZDF hat was sehr hübsches gemacht: Auf dem Infokanal läuft seit ein paar Wochen die „crime time“, die man sich in der Mediathek unter www.zdf.de auch dann noch ansehen kann, wenn man sie verpasst hat. Oder den Kanal nicht empfängt. Vorgestellt werden europäische Bestsellerautoren. Bisher wurden gezeigt: Andrea Maria Schenkel, P.D. James, Fred Vargas, Arne Dahl und – na? Na??? Ian Rankin. Genau.

Die viertelstündigen Beiträge sind, das hat mich sehr gefreut, Eigenproduktionen des Senders. Die Aufmachung mag ein bisschen arg amerikanisch anmuten, aber doch, sehr schön geworden. Was ich am Rankin-Beitrag ausgesprochen entzückend fand: Tobias Gohlis läuft in Edinburgh als Inspector Rebus durchs Bild...!

Donnerstag, Januar 24, 2008

Überraschungsangriff

Herr Stenzel schrieb mir, ich müsse ihn dringend begleiten. In einer Stunde am Friedrichstadtpalast. Ein Konzert. Dass Roland Kaiser singen würde, hielt ich für einen Scherz.
Roland Kaiser sang. Unglaublich. Der Mann hatte eine Band aus ordentlich spielenden Berufsmusikern hinter sich, bewegte sich in einem Aktionsradius von ca. zwanzig Zentimetern, sang ohne besondere Hingabe und alle jubelten ihm zu. Bei so viel „Wir lieben Dich“ und „Ich will ein Kind von Dir“ wunderte es, dass er überhaupt noch selbst sang, statt einfach nur dazustehen und alles vom Band ablaufen zu lassen. Die Leute hätten auch da geschrien und sich zum Obst gemacht.
Wirklich unglaublich. Ich sah Achtzehnjährige mit Bauchfrei in knallengen Glitzerjeans und übergewichtige Achtundsechzigjährige im karierten Pullunder. Sie sangen alle mit. Herr Stenzel und ich waren irgendwo recht weit oben eingeklemmt zwischen einer Reihe dauerwelliger Sprechstundenhilfen zur Rechten und einer Reihe schwuler Bodybuilder zur Linken. Zuletzt sah man so viel Solariumsbräune und blonde Strähnchen in den Achtzigern. Ich jedenfalls. Immerhin kannte ich vier Lieder, „Santa Maria“, „Schachmatt“ und noch zwei, achja, „Midnight Lady“, vielleicht kannte ich auch mehr, aber da sie für Nichtfans alle gleich klingen, weiß ich es nicht sicher. Herr Stenzel kannte ausnahmslos alle Lieder, wippte und sang auch heimlich mit, traute sich aber nicht, wie alle anderen aufzuspringen und mitzuschunkeln. Wohl aus Solidarität, weil ich mich vor Fassungslosigkeit nicht rühren konnte. Unglaublich.
Nach der Pause wurde es etwas besser, ich hatte Gummibärchen erstanden und konnte damit spielen. Der Mensch muss sich beschäftigen, sonst wird er unwirsch. Herr Stenzel begriff es und überließ mir alle Gummibärchen mit der Behauptung, Vegetarier zu sein. Treffsicher nannte er mir die noch zu spielenden Songs und reagierte mit Empörung auf mein fortgesetztes Schulterzucken. Nach den schier endlosen Zugabeblöcken war er noch minutenlang nicht wegzubewegen, da er auf weitere Zugabeblöcke hoffte. Es interessierte ihn nicht einmal, dass meine dauerhaft stehende und sprachlich sächselnde Sitznachbarin mir unentwegt ihre Handtasche, ihre Jacke oder ihren Hintern ins Gesicht rammte.
Wir verbrachten noch einige Zeit mit Anstehen an der Garderobe – Herr Stenzels Mantel, nicht meiner, ich kann auf meinen selbst aufpassen – und erfreuten uns an den Gesprächen der anderen. Andrea Berg sei das nächste Konzert, auf das man sich freue, behauptete die Dame vor mir, und die Herren hinter mir sangen noch einmal die zweite Konzerthälfte nach. Dabei sahen sie bei Licht betrachtet fast normal aus. Sie konnten trotzdem alle Texte. Ich blieb verwirrt: Es gibt Begeisterungen, die man nicht teilt, aber irgendwo doch ein bisschen nachvollziehen kann. Udo Jürgens, zum Beispiel, der kann ja was, das hätte ich verstanden, aber Roland Kaiser, nein. Und über das von ihm propagierte Frauenbild, ach soweit will ich gar nicht gehen, darüber muss man glaub ich gar nicht reden, oder doch, wenn man sich ansieht, wie ihm diese kleinen Mädchen Rosen vor die Füße werfen.
Zum Neutralisieren riss ich die Lautstärke meines CD-Players im Auto hoch. Egal, was laufen würde, es konnte nur besser sein. Kate Bush, tippte Herr Stenzel, der DJ, der eben noch jedes Lied kannte. PJ Harvey, riet er weiter, und endlich, als wir schon in Kreuzberg vor dem Bierhimmel parkten, wollte er nicht mehr weiterraten. Tori Amos, verriet ich, und bestellte als erstes ein Malzbier. Es war herrlich. Es lief Musik, die man mögen konnte. Herr Stenzel, der DJ, der sonst immer alles kennt, sah mich ratlos an, und als ich sagte, Siouxsie Sioux, schüttelte er den Kopf und wollte Recht haben. Wir fragten den Wirt, er hatte dicke Kajalstriche um die Augen und wollte nicht glauben, dass wir ihn wirklich fragten. Siouxsie Sioux, sagte er, denn es war das Offensichtlichste auf der Welt, aber Herr Stenzel, der DJ, der jeden Hit im Schlaf singen kann, verschüttete empört sein Jever und verließ laut klagend das Lokal. Mit diesem Frauengesang kenne er sich nicht aus, schimpfte er, gekrängt in der DJ-Ehre, und ich beruhigte ihn, indem ich ihm noch einmal ins Gedächtnis rief, wie wenig Roland Kaiser-Songs ich kannte. Zufrieden purzelte er am Hermannplatz aus meinem Käfer, und ich fühlte mich dem Wahnsinn nahe, denn ein Ohrwurm hatte sich festgesetzt, kein Kaiserlied, schlimmer gar, Roger Whittaker, „Wenn es Dich noch gibt“. Wo der wieder herkam, das weiß ich nicht. Ich glaube, jemand hat ihn auf dem Klo in der Pause gepfiffen.
Nie wieder, Herr Stenzel. Nie wieder.

(Das ist meine Version. Sie ist von vorne bis hinten gelogen, besonders, was die Charakterisierung von Herrn Stenzel angeht. Herr Stenzel wird das in seinem Blog alles richtigstellen.)

Dienstag, Januar 22, 2008

Von Strippern und Gorillas

Wo wir gerade von den verklemmten Engländern reden...

"...und dann bringen Sie einfach Ihre Unterhosen mit."

Herr Baron fand soeben folgendes: Jeremy Paxman, allseits bekannter Lieblingsmoderator der Briten und Verfasser wunderbarer Werke wie "The English" oder "On Royalty", beschwerte sich bei Marks&Spencer über deren Unterhosen. Via E-Mail. Es gelangte an die Öffentlichkeit, was dem sonst gar nicht scheuen Moderatur nicht gerade recht war, woraufhin ihn der Konzernchef zu einem Mittagessen lud, damit dieser Stellung beziehen könne. Paxman solle seine Unterhosen mitbringen, dann sehe man weiter. Er wolle ihm außerdem ein paar weitere Modelle vorführen. Wie das in der Umsetzung aussehen soll und wer wem was wie vorführt, wird sich in den nächsten Tagen hoffentlich zeigen. Und ach, die Österreicher finden es auch berichtenswert. Während sich die Briten totlachen.

Frauentag

Das mit dem Geld ausgeben scheint immer so einfach zu sein, besonders als Frau und wenn man sich für Dinge wie Schuhe und Handtaschen erwärmen kann. Befindet man sich dann auch noch in der Nähe exklusiver Geschäfte am Ku’damm, steht dem Unterfangen nichts mehr im Wege, die Mission „Konto leer“ ist so gut wie erfüllt.
Dachten wir.
A. will eine Handtasche von Tod’s, und das haben wir generalstabsmäßig vorbereitet. Wir ziehen uns entsprechend an, schließlich soll man uns gleich als potente Kundinnen erkennen und nicht mit neugierigen, window-shoppenden Touristen verwechseln. Zurückhaltende Eleganz, darauf einigen wir uns, und ziehen los. Gut, es regnet an diesem Tag so stark wie schon seit Wochen nicht mehr, und trotz Schirm sehen wir nach wenigen Minuten wie kläglich gebadete Langhaarterrier aus, aber wir stapfen weiter tapfer dem Laden entgegen. Wir wissen genau, wo er ist, wir haben es uns bei Google auf der Karte angeschaut.
Mit gutem Gewissen lassen wir Yves Saint Laurent und Longchamps links liegen und entern den Laden. Dies ist der Moment, das wissen wir schon, in dem freundliche, gut geschulte Verkäuferinnen auf uns zuschweben, uns den Schirm abnehmen, einen Platz anbieten, anschließend Kaffee und Champagner, um endlich die Kollektion in Gänze zu präsentieren, bis sich A. auf die Handtasche geeinigt hat, die ihr seit Wochen im Traum erscheint.
Jedoch, es geschieht nichts, als wir den Laden betreten. Zwar stehen überall Verkäuferinnen herum, doch sie beschäftigen sich entweder mit den beiden jungen Müttern (lärmende und schmutzende Kleinkinder auf dem Schoß), die sich alles, aber auch alles zeigen lassen, oder sie ignorieren uns gekonnt, ohne auch nur den Blick auf uns zu richten oder gar eine Begrüßung zu äußern. Sie ignorieren uns, obwohl wir jede verfügbare Handtasche schließlich eigenmächtig aus den Regalen reißen, uns lautstark über unseren Kaufwillen äußern und endlich entsetzliches Chaos mit dem sich in der Schuhkollektion verhakenden triefnassen Schirm anrichten.
Sie schauen durch uns durch. Wir sind gar nicht da. Wir gehen wieder. Siebenhundert Euro gespart, sagt A. und klingt irgendwie erleichtert. Außerdem war die Handtasche, die aus den wiederkehrenden Träumen, doch nicht da.
Vielleicht schreiben wir eine Mail und beschweren uns, sage ich. Wir könnten so tun, als seien wir wahnsinnig reich, und dann ärgern sie sich, sagt A. Genau, sage ich und zerre sie über die Straße vor das Chanel-Schaufenster. Und dann schreiben wir, anschließend hätten wir uns bei Chanel vergnügt. Wir starren in das Schaufenster, während uns der Chanel-Sicherheitsbeamte im schicken Dreiteiler, der die Tür bewacht, ignoriert. Nichts gefällt uns, und als wir die Preise sehen, finden wir das irgendwie seltsam. Bei Gucci geht es uns auch so. Passt gut zum Konto, sagt A., und ich nicke. Was man alles an Geld spart, sage ich. Aber wir schreiben die Mail, beschließt A. und fängt schon mit dem Vorformulieren an. Was machen wir mit dem ganzen Geld, das wir heute nicht ausgegeben haben?, will ich endlich wissen, denn der Gedanke, dem finanziellen Ruin so leicht entgangen zu sein, macht mich unwillkürlich nervös, irgendwie denke ich, etwas kann mit mir nicht stimmen, Frauen ruinieren sich doch immer mit Schuhen und Handtaschen. A. zuckt hilflos die Schultern und findet bei Cartier nicht mal eine Uhr, die ihr zusagen könnte. Gehen wir essen, fällt mir nur noch ein, und ich schiebe sie durch den Regen zu Maredo. Wir essen riesige Steaks mit noch größeren Portionen Pommes und lachen anschließend im Kino über „Darjeeling Limited“. Eigentlich hätte es ein Stück Kuchen sein müssen und dann „P.S. Ich liebe Dich“, merkt A. zerknirscht an. Das müssen wir noch üben, das mit dem Frauentag, merke ich zerknirscht an. Wir nicken und starren auf einen 760 Li. Zwölfzylinder, sagt A., 445 PS.

Sonntag, Januar 20, 2008

Anobellas Doppelleben




Ich hab sie gefunden. Sie heißt jetzt Annarella und hat einen Blumenladen in Lich.

Bilderbuch

Die Welt ist eine so andere in Potsdam, wenn man sich erstmal an Berlin gewöhnt hat. Potsdam ist, in Teilen, viel geputzter, viel puppenstubiger. Wenn man nicht über die Autobahn fährt, sondern an meiner Haustür vorbei durch den Bezirk Zehlendorf, also über die B1, durch Wannsee, über die Glienicker Brücke, dann wird man schon darauf vorbereitet, dass gleich alles anders wird. Die Strecke ist schön, übrigens, ich fahre sie gerne.
Potsdam jedenfalls hat auch ein Brandenburger Tor, es ist, wie so vieles hier, eine winzigste Miniaturausgabe des Berliner Bruders. Vom Brandenburger Tor führt die Brandenburger Straße weg, Potsdams Einkaufsmeile und Fußgängerzone, gesäumt von niedlichen, sauberen Fassaden, bei Dunkelheit in warmes Straßenlicht getränkt, so dass die Wirkung des Unwirklichen nicht verfehlt wird. Nur wenige Schritte weiter am Ende der Brandenburger Straße, und man gelangt ins Holländische Viertel, wieder eine Puppenstubenausgabe, diesmal von Amsterdamer Straßenzügen.
Die Geschäfte schließen deutlich früher als in Berlin, aber das macht nichts, die Potsdamer gehen auch deutlich früher nach Hause. Sie gehen deutlich früher essen, und deshalb schließen die Lokale in der Brandenburger Straße deutlich früher, gerne gegen zehn. Niemand ist dann mehr auf der Straße, eigentlich um neun schon nicht mehr, bis auf vereinzelte Gestalten, und die haben etwas Verwegenes, ja Mutiges um die Mundwinkel, während sie die anderen vereinzelten Gestalten hemmungslos mustern und noch in Hörweite mit ihren Begleitern darüber diskutieren, wo die gerade Passierten denn hin unterwegs sein mögen.
Neun Uhr ist es also, als uns das angeblich kambodschanische Restaurant mit Rausschmeißmusik (Klassikpop) belästigt und der vermutlich chinesische Keller nicht müde wird, neben unserem Tisch auf und ab zu gehen. Bedeutungsvoll und doch scheinbar gedankenverloren klopft er hin und wieder dabei auf seine Hosentasche, in der sich die Geldbörse versteckt, bis ich flüstere: Ich glaube, er will, dass wir zahlen. Schon steht er lächelnd mit der Rechnung neben uns, erklärt: Sie wollten zahlen?, und entlässt uns auf die einsame Straße. Einen Moment lang scheinen wir in Babelsberg, in irgendeiner Filmkulisse, so still und leer starren uns die Häuserfronten an. An einer Bar steht groß angeschrieben: Raucherbar, und wir gehen hinein, nicht wegen des Rauchens, sondern weil dort noch Licht ist, auch wenn sich innen niemand außer dem Barkeeper findet.
Es gibt Laphroaig, gleich zwei Flaschen stehen dort, und der Barkeeper kennt sich aus. Er weiß um die richtigen Gläser und bietet weder Eis noch Wasser noch Cola dazu an. Auch das ist anders als in Berlin: Der Mann versteht seinen Job. Hat sogar gute Laune und versucht nicht, seine Gäste gleich wieder durch beleidigtes „Jetzt soll ich auch noch arbeiten für mein Geld“ zu vertreiben. Doch, es ist gut, dort zu sein, und entgegen aller Erwartungen und Hoffnungen füllt sich nach zehn Uhr tatsächlich die Bar, was nur den Schluss zulässt: Es gibt zwei Sorten Potsdamer, die, die vor neun nach Hause gehen, und die, die nach zehn das Haus verlassen. Falls es dieselben sind, muss es einen Grund geben, warum sie für eine Weile in ihren Häusern verschwinden.
Es wird sogar richtig voll, ein Tisch besteht allerdings aus sechs bis sieben besten Freunden des Barkeepers. Sie starren uns an, oder vielleicht auch nur mich, da ist er wieder, der Beweis, dass Potsdam so viel kleiner ist. Fremde fallen auf den ersten Blick auf, aber das macht nichts, sie sind zahm, die Potsdamer, und sie machen es schon ganz gut, mit dem Essen und mit dem Getränkeausschenken. Sogar die Einrichtung passt sich der vielversprechenden Außenwirkung an. Fast wäre es zu schön in diesem Potsdam, doch die Fotoausstellung an den Wänden der Bar – schwarzweiße Porträts unterschiedlicher Frauen in verträumt-pseudoerotischen Posen - erinnert mich an das, was in mittelhessischen Kleinstädten von den Passbildfotografen in die Schaukästen am Bahnhof gehängt wird. Plötzlich fühle ich mich wieder wie in dieser Postkarte, in der ich aufwachsen musste, und Postkarten lassen einem verdammt wenig Platz, egal wofür.

Dienstag, Januar 15, 2008

One of these days

Im Supermarkt.

Dramatis Personae:
HH (würde gerne einkaufen)
SH (würde dabei gerne helfen)
V (nicht sehr hilfsbereiter Verkäufer)

HH: So, was brauch ich … Erdbeermarmelade. Siehst Du irgendwo Erdbeermarmelade?
SH (sucht): Nee … nee … auch nicht … Doch, hier.
HH: Nee, die is mit Vanille. Die normale.
SH: Is nich.
HH: Na gut. Weiter. Rotbuschtee. Wo ist denn …
SH: Nee. Doch, hier.
HH: Nee, der is mit Vanille.
SH: Dann nich.
HH: Gut. Weiter. Ah, Käse. Tilsiter … Komisch. Keiner da, ist das denn …
SH: Nee, ich seh auch keinen.
HH: Lass noch mal kucken. … Nee. Nirgendwo.
SH: Was brauchste noch? Wurst?
HH: Die werden sie ja wohl. Ne Fleischwurst. (zum Verkäufer) Tach, sone Fleischwurst, bitte.
V: Ham wa nich.
HH: Wie, hamse nich? Fleischwurst? Son Ring?
V: Nich mehr um die Uhrzeit.
HH: Was hat denn … es ist fünf!
V: Ja ebn!
HH: Ja was, Sie sind doch bis um zehn!
V: Aba nich die Fleischwurst!
HH: Pah.
SH: Noch was?
HH: Nee. Ja. Klopapier. Egal welches.
SH: Oha.
HH: Is nich wahr!
SH: Doch, kuck.
HH: Nich mal von dem teuren!
SH: Nee, ne?
HH: Hör auf zu lachen.
SH: Aber das is so geil, und jedes Mal mit Ansage!
HH: Weißte was, so Tage sind mir lieber als die, bei denen die Elektrogeräte kaputtgehen, wenn ich reinkomme.
(Licht flackert plötzlich)
SH: Bild ich mir das ein oder flackert grad das Licht?
HH: Ich glaub wir gehen besser.

Klute

Einst offiziell Britain's Worst Nightclub, aber wir gingen trotzdem hin. Die anderen Clubs waren zwar offiziell besser, aber eben nicht wirklich gut, daher mittelmäßig. Und wenn man die Wahl zwischen Mittelmaß und einem Titelgewinner hat, nimmt man den Titelgewinner. Auch bei diesem Titel. Aber wir waren nur zwei, drei Mal da, glaube ich, bis wir uns entschieden, die Wochenenden in Newcastle (zu unserer Zeit offiziell die Stadt in England mit dem best nightlife) und dann in Edinburgh zu verbringen. Man hat es schon schwer als Student, nicht wahr.
Um Einlass in Klute zu erhalten, musste man gefühlte fünf Stunden anstehen. Selbst bei empfindlichen Minustemperaturen oder strömendem Regen stand man an, weil alle anstanden und sich niemand vom Wetter beeindrucken ließ. England, ja. Und drinnen, ach, wenn man erstmal drinnen war, da gab es - unten irgendwas und oben auch irgendwas, und irgendwo konnte man Getränke, es war halt wie überall sonst so. Sie spielten nur die schlechteste Musik, und die immer wieder. Abba bis zum Erbrechen, nur dass sich niemand wegen der Musik erbrach, sondern wegen der legendären Mengen Alkohols. A. und ich, wir standen und staunten über die Kommilitonen, die wir bisher nicht anders als zurückhaltend und reserviert kennengelernt hatten. Nun fielen sie übereinander her, rissen an ihrer Kleidung und schlitterten - teils mit dem Kopf zuerst - über die Tanzfläche, nur gebremst durch die Eimer, die man dort postiert hatte, weil es manchmal durchs Dach regnete. A. und ich, wir mussten uns setzen, es war doch erstaunlich. Wir saßen auf der Treppe, die zu den Ladies und Gents führte, und wir fanden heraus, dass die englischen Mädchen nicht nur keine Strumpfhosen trugen, oder vielmehr, warum sie keine trugen, denn unter den Strumpfhosen, die sie nicht trugen, war auch nichts Tragenswertes. "Damit es schneller geht", erklärte mir A., und ich machte große Augen, in erster Linie über meine eigene Naivität. Lange saßen wir nicht mehr, denn eines der Mädchen verschüttete auf der Treppe sein Bier und rutschte aus. Wir wurden von beidem unsanft getroffen, und auch die fünfte Wiederholung (in Folge) eines Robbie Williams-Songs hielt uns nicht auf.
A. überredete mich, nach Newcastle zu fahren. Auf dem Weg zum Auto kletterten wir über den ein oder anderen Rugbyspieler, in Poloshirt und kurzen Hosen (im November), der auf allen vieren über das Kopfsteinpflaster kroch und sich übergab. Ein anderer, ebenso gewandet, hielt sich an einem Feuerhydranten fest und weinte. Sie waren alle auf dem Weg zu Klute, nun, da die Pubs geschlossen waren.
In Newcastle suchten wir einen bewachten Parkplatz, zerknautschten unsere Kleidung und legten alles ab, was uns als Studenten, besonders als Durhamstudenten hätte ausweisen können. Wir wollten nicht verprügelt werden. Gut getarnt telefonierten wir M. an, der lebte dort und kannte alle Clubs, der hatte auch Mitgliedsausweise für alle guten Clubs, inklusive der gay clubs, und konnte uns reinholen. Der hatte sogar immer Karten für den St. James' Park, in der VIP-Lounge.
Morgens um fünf fuhren wir zurück und schlichen uns ins College. Es war verdächtig still, bis auf das Gekicher aus der Hausmeisterloge, denn der Hausmeister hatte sich nun eine Freundin aus unseren Reihen zugelegt. Sean hieß er, und keines der Mädchen interessierte sich für ihn, bis auf Lindsay, die irgendwie so aussah wie er. Sie hatte sogar dieselbe Brille.
Wir sagten uns: Nächstes Wochenende fahren wir gleich nach Newcastle. Das taten wir auch, aber es war nicht mehr dasselbe. Es fehlte uns irgendwie zu wissen, was wir im schlechtesten Nachtclub des Landes verpassten. Nein, es war nicht mehr dasselbe.

Gedankenlesen (Anfänger)

Dramatis Personae:
Papa Heiland (auf Besuch)
HH (wird besucht)

P (steht vorm Wasserkocher und wartet, dass das Wasser kocht): Sag mal ...
HH: Nein. Werd ich nicht.
P (verwirrt): Ich wollte sagen ...
HH: Nein. Aus. Will ich nicht. Kommt nicht in Frage.
P: Du könntest Dir ...
HH: Auf gar keinen Fall!
P: ... doch mal ...
HH: Sowas kommt mir nicht ins Haus.
P (versucht es nochmal): Du könntest Dir doch mal ...
HH: Hatte ich noch nie! Brauche ich auch nicht!
P (gießt sich unglücklich einen Tee auf): Aber Du könntest Dir doch wirklich mal ...
HH: Wozu denn? Ich will nicht! Seh ich gar nicht ein!
P: Wovon redest Du eigentlich?
HH: Davon, dass ich mir bestimmt keine Kaffeemaschine kaufen werde. Ich trinke keinen Kaffee. Hab ich noch nie.
P: Woher weißt Du denn, was ich gerade sagen wollte?
HH: Ach, Papa, wie lange kennen wir uns jetzt?

Freitag, Januar 11, 2008

Things, English

Wer in Zukunft weiterhin behaupten will, England wirklich zu kennen, muss diese Seite zwingend verinnerlichen: Icons – A Portrait of England informiert über alles, was uns an diesem Land glücklich macht, sei es nun Monty Python, Real Ale oder das Wetter. Präsentiert wird auch ein wichtiges Icon aus meiner längst verflossenen Studienzeit: The Angel of the North. Damals, 1998, war das rostige Geschöpf noch ganz neu (Rost=Kunst) und sorgte auf der vorbeiführenden A1 regelmäßig für Auffahrunfälle.
Das stählerne Engelchen ist zwanzig Meter hoch, hat eine Flügelspannweite von über fünfzig Metern (wenn man genau drauf achtet, sind die Flügelchen ein wenig gebogen, wie zur Umarmung, sagt der Künstler, dessen Namen ich vergessen habe) und steht auf einem Hügel zur besseren Draufsicht. Soweit ich weiß, soll es daran erinnern, dass die Region zwischen Durham und Newcastle (Tyne and Wear, oder so) einmal wichtige Industrie hatte. Wann das gewesen sein soll, weiß heute niemand mehr so richtig. Zum Glück gibt es mündlich überlieferte Legenden vom einstigen Vorhandensein der Arbeitsplätze, aber auch quasihistorische Zeugnisse über den Abstieg des Nordosten, „Billy Elliot“ zum Beispiel. Als der Engel installiert wurde, waren die Glanzzeiten jedenfalls schon lange vorbei. Vielleicht deshalb der Rost-Look.
Der Nordosten hat noch mehr zu bieten, zum Beispiel das Penshaw Monument, ganz in der Nähe von Washington. Es ist wie der Engel gut von der A1 aus zu sehen. Ich glaube, man kann es bereits von Durham aus sehen. Das Penshaw Monument ist völlig sinnfrei und ohne jegliche Bedeutung und sieht einfach nur ein bisschen nach einem griechischen Tempel aus. Da es schon seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts auf dem Penshaw Hill herumsteht und nichts mit sich anzufangen weiß, gibt es wegen ihm keine Auffahrunfälle. Mein Vater war wahrscheinlich der einzige in den letzten, sagen wir, zehn Jahren, der sich höflich, aber auch nicht wirklich interessiert, danach erkundigte, als er mich zufällig besuchte. Es ist übrigens nicht bei den Icons gelistet, aber das kann noch kommen.
Falls nämlich jemand das Gefühl hat, dass gewisse Dinge, die mit England zu tun haben, auf der Icons-Seite unterrepräsentiert sind, kann er sie vorschlagen und muss dann eigentlich nur ein paar hundert Freunde mobilisieren, die dafür stimmen. Ich stimme für HP-Sauce.

Dienstag, Januar 08, 2008

Frauen sind gar nicht komisch.

Also nicht witzig. Sagt ein Brite. Der muss es wissen.

Posttrauma

Post Zehlendorf.
Lange Schlange bis raus auf die Straße. Sämtliche Kontoauszugsdrucker und Geldautomaten sind außerdem kaputt.

Dramatis Personae:
Postkunde K (unzufrieden)
HH (wäre auch lieber woanders)

K: Dit is wie vor hundert Jahren!
HH: Aha?
K: Zustände wie nachm Krieg!
HH: Nach welchem?
K: Na, nach dem letzten!
HH: Vor hundert Jahren. Ah.
K: Wahrscheinlich hammse wieder nur zwee Leute am Schalter.
HH: Sechs.
K: Wie vor hundert Jahren!
HH (schweigt)
K: Und billijer wars damals ooch noch! Dit warn nurn paar Pfennige, damals!
HH: Da müsste man jetzt mal ausrechnen, wie das im Verhältnis zum Einkommen …
K (unterbricht): Na, aber sone Briefmarken, die sind gleichteuer geblieben. Ne Zehner kost heut auch nur nen Zehner, hahaaaa!
HH: Sie tanken wahrscheinlich auch immer nur für zehn Euro, was?
K (lacht): Der war jut! Aber dit müssense doch sagen, Zustände wie damals.
HH: Damals wann? Nach dem Krieg oder vor hundert Jahren?
K: Na, wie damals, als wir noch die Zone hatten.
HH: Ah.
K: Osten! Verstehnse?
HH: Sie kommen aus Ostberlin?
K: Nee! Fuffzich Jahre hier!
HH: Aber wir sind im Westen. Westberlin. Zehlendorf. Amerikaner.
K: Janz ejal. Allet een Pack. Wie im Osten!
HH: Wie im Osten vor hundert Jahren oder …
K: Dit ändert sich nie! Ne Schlange wie bei den Ossis und den Bananen. Und nur zwee am Schalter.
HH: Sechs.
K: Wie im Osten!

Don't put off putting things off

Endlich, so denke ich, gibt es die richtige Webseite für mein Lieblingshobby: das Prokrastinieren! Allerdings nehmen die zuständigen Prokrastinatoren des Procrastinators Club of America, kurz PCA, ihre Sache so ernst, dass sie das erstellen einer richtigen Webseite häufig genug vor sich herschieben. Also nicht so viel zum Prokrastinieren. Dafür gibt es aber immer noch den Rest des Internets, auch diese Seite, die auf den PCA aufmerksam machte.

Montag, Januar 07, 2008

Alltagserwartungen

Im Wartezimmer.

Dramatis Personae:
HH (ganz neu in der Praxis)
Sprechstundenhilfe S
Patient M
Patientin W

M: Dit gloob ick nich, Leben nachm Tod oder wie, wat solln dit sein?
W: Nee! Weeßte, dit is so, da kricht man ne zweite Schangse und darf nochmal!
M: Ick will aba nich nochmal da dit janze Zeuch, aus Schlesien mim Handwagen, nee nee!
W: Nee, ick meen wat anderes. Kennste dit nich, wennde irjendwo hinkommst und du denkst dir, Mensch, hier war ick schon mal, dabei warste da noch nie jewesen?
M: Dit kenn ick, dit is richtig. Da denk ick mir, Mensch, hier war ick schon mal, dit kann aber nich sein, und da is schon so wat Übernatürliches, manchmal, aber ick gloob ja nich an son Quatsch.
W: Nee, dit is nich Quatsch! Nu stell dir mal vor, da haste schon mal son anderet Leben jehabt, aber kannst dir nur so halb dran erinnern, weeßte, dit is doch total – also ick meen, da jibts Sachen, die könnwa nich erklärn, und so is dit mit dem Leben nachm Tod!
S: Da jibt’s welche, die sagen, die Seele kommt immer nachm Tod dahin zurück, wose jeborn war.
HH: Nee, oder? Kann man die nicht, äh, umleiten?
M: Wieso, wo sind Se denn jeborn?
HH: Das wollen Sie nicht wissen. Ach, das kennen Sie gar nicht. Mittelhessen.
(Schweigen.)
W: Dit is Westdeutschland, wa?
HH: Mittendrin.
M: Jibt’s da ne Stadt irjendwo?
HH: Nee.
(Schweigen.)
M: Mensch Mensch, dit sin Sachen … Mittelhessen … Wat ham wir’s da jut.
W: Eben haste noch jesacht, Schlesien un so, dit wollste nich mehr.
M: Nee, mitm Handwagen, dit muss ja nu och nich!
(Schweigen.)
S: Wissense, reden wa mal übern Buddhismus. Dit is bestimmt lustijer.

Samstag, Januar 05, 2008

Jeden Sonntag...

...auf Kabel1: Disneys Kurze Pause! Zielgruppe ist zwar vermutlich etwas jünger als die durchschnittlichen Besucher dieser Seite, aber lustig ist die Serie trotzdem. Beginn: 10.30 Uhr.
Viel Spaß beim Schauen!

Mittwoch, Januar 02, 2008

Das Ende der Berliner Eckkneipe

Ob sie nun an einer Ecke liegt oder nicht: Die Berliner Eckkneipe sieht sich vom Aussterben bedroht.

Dämonen (Geschichten vom Dorf)

Dahlem, nachts um zwei, gerade so 2008. Das Neujahrsfeuerwerk mag andernorts verschossen sein, nicht hier. Hier werden sie noch bis morgens um fünf knallen. Es heißt ja, man vertreibt damit die bösen Geister. Die Dahlemer haben eine Menge böser Geister zu vertreiben, mehr als in den Jahren zuvor.
Ganze Gruppen von Kindern (ohne Erwachsene) ziehen durch die fast unbefahrenen Villenstraßen entlang der U-Bahn-Linie, die hier zwischen Dahlem Dorf und Thielplatz nicht so richtig unterirdisch fährt, sondern eher tiefergelegt. Die Kinder verböllern in zehn Minuten das geschätzte Jahreseinkommen eines durchschnittlichen moldawischen Arbeiters, vielleicht auch mehr. Als ein Taxi vorbeifährt, warten sie höflich, denn es sind Dahlemer Kinder, dann böllern sie weiter. Die Flaschen, die als Abschussrampe dienen, lassen sie auf der Straße stehen. „Das holt morgen die BSR“, höre ich eines der Kinder sagen, und es klingt ein bisschen wie „Das räumt morgen unser Mädchen weg“.
Vor einer Garage brennt es still vor sich hin, was niemanden zu stören scheint. Erst als ich panisch stotternd auf das Feuer zeige, erbarmt sich jemand und wirft es mit ein paar der ordentlich aufeinandergestapelten Pflastersteine aus, die für die Erneuerung der Hofeinfahrt vorgesehen waren. Die Aktion erinnert nicht im Mindesten an die Rostocker G8-Demos, auch wenn ebenfalls Feuer und Pflastersteine zum Einsatz kommen. Es ist irgendwie anders, irgendwie Dahlem. An einer Bushaltestelle steht ein kicherndes Pärchen. Die beiden sehen sowohl gut situiert wie auch über vierzig aus. Sie sind noch nie mit dem Nachtbus gefahren, soviel ist klar, denn sie können den Plan nicht lesen und fragen dem Busfahrer, ohne einzusteigen, Löcher in den Bauch. Als die U-Bahn vorbeirattert, sind sie irritiert angesichts des Überangebots an öffentlichen Beförderungsmitteln. Sie lassen den Bus weiterfahren und wanken kichernd die Straße hinauf zum Eingang Dahlem Dorf.
So entgehen sie mir, ich bekomme aber Quasigesellschaft in Gestalt zweier junger Herren, die gerade von der Bahn ausgeworfen wurden. Sie sind frisch von einer Silvesterparty in der Stadt, denn so sagt man hier, wenn man nach Charlottenburg fährt, oder nach Mitte, da fährt man in die Stadt. Die jungen Herren, im Smoking und mit weißem Schal (also eher eine Party in Charlottenburg), rätseln darüber, wer wohl wen heute Abend woher gekannt haben könnte, wer wen mitgebracht hat und wer mit wem nach Hause gegangen sein mag. Sie wirken gar nicht betrunken, und ich verliere sie schon nach wenigen Metern, was nicht schlimm ist.
Auf einem abgesägten Baumstamm sitzt ein schlafender Teenager. Sein Freund telefoniert, weil er jemanden sucht, der ihm hilft, den anderen nach Hause zu tragen. Dann, in der Thielallee, gegenüber von Kino und Rostlaube, knallt es ganz schrecklich. Ich denke: die verzogenen Drecksgören schon wieder. Aber es sind zwei ältere Herren, nicht mehr ganz nüchtern, die in leeren Pommery-Champagnerflaschen vom Gehweg aus Raketen starten lassen. Dabei rauchen sie und applaudieren jedes Mal, wenn wieder eine in die Luft fliegt und Sterne in den Himmel zaubert. Ich schaue es mir eine Weile an und denke, gar nicht so schlecht, was sie hier machen. „Früher“, sagt einer, „früher haben wir hier studiert.“ Und der andere bestätigt: „Damals, vor vierzig Jahren, da waren wir hier.“ Ich nicke, damit er weiß, dass ich weiß, was er meint. „War ne schöne Zeit“, sagt der erste und sucht in der Innentasche seines langen YSL-Mantel nach einer neuen Zigarettenschachtel. „Fast von der Uni geflogen, damals“, sagt sein Freund zufrieden, und ich werde das Gefühl nicht los, dass der schräg auf dem Gehweg abgestellte Porsche etwas mit den beiden zu tun hat.
Ich gehe weiter nach Hause und versuche mir vorzustellen, wie viel Munition ich wohl bräuchte, um meine Dämonen zu vertreiben, und ob es Feigheit ist oder Angst, die uns dazu bringt, nach vierzig Jahren mit Porsche und Pommery die bösen Geister niederzuringen.

München, Krimifestival

Da findet man mich am 11.03.08 mit den Focus-Kollegen, wir präsentieren Daniel Scholten. Ich lese dann am 12.03.08 irgendwo bei der Kripo München.
Näheres folgt noch. Fest steht aber, dass ich am 12.03.08 hinterher noch auf ne Ovomaltine in den Volksgarten im Volkstheater (Brienner Straße) gehen werde. Weil, da hab ich Geburtstag, und die kennen mich schon und finden das mit der Ovomaltine gar nicht mehr so seltsam.

Nie mehr rauchen.

Sehr schön finde ich, was David Sedaris dazu in der "Zeit" sagt. Wer noch mehr über letzte Zigaretten lesen will (diesmal unerfolgreiche): Italo Svevo, "Zeno Cosini". Gibt's als Taschenbuch von rororo.

Frohes Neues

Ich feiere Silvester diesmal schön gesetzt mit ein paar Dahlemer Millionärswitwen aus der weiteren Nachbarschaft. Ihre Töchter sind auch dabei, die wiederum ihre eigenen Töchter mitgebracht haben, und so hat es erstmal etwas von einer netten Familienfeier. Nett, weil man sich nicht so gut kennt, wie man es normalerweise bei Familienfeiern tut, und so fallen die üblichen Beleidigungen, Vorwürfe und blöden Bemerkungen, die Familienfeiern im Durchschnitt auszeichnen, aus. Bis auf einen Haken.
Die Abwesenheit von Männern in der Runde wird mir erst so richtig bewusst, als alle der Reihe nach anfangen, über ihre gescheiterten Ehen zu sprechen. Der einzig anwesende Mann, von mir importiert, verschwindet taktvoll in der Küche und backt Pizza für ungefähr fünfzig Personen, damit es länger dauert. Vielleicht war es doch keine so gute Idee von mir, Loriots Gesammelte Werke mitzubringen, aber man hat mich bestochen und schließlich gar gezwungen, aus den „Szenen einer Ehe“ vorzulesen. Nach der fünften Champagnerrunde ist es beschlossene Sache: Männer sind völlig überflüssig. Sie machen nur Lärm und Dreck, reden nie, wenn sie sollen, und abgesehen davon wollen nur eins: ans Geld ihrer Ehefrauen.
Nach der achten Champagnerrunde sind die Damen bei den Ehetraumata ihrer besten Freundinnen (streng vertraulich). Interessiert höre ich die Geschichte über eine Dame (65), deren Ehemann (84) –von der nichtkommunizierenden Sorte – von ihrem Geliebten (69) weiß und ihr regelmäßig hinterherschleicht, um herauszubekommen, wer der Typ ist. Sie hängt ihn ebenso regelmäßig ab, indem sie kurz vor der Bushaltestelle Haken schlägt oder in ein Taxi springt, aber jedes Mal, wie schön, denkt sie zugleich an das schwache Herz ihres Gatten. Die Erzählerin (77) lobt gerade die neue Lebensfreude ihrer Freundin, seit sie sich diesen Geliebten hält, der praktischerweise denselben Vornamen trägt wie der Ehemann, und schon will sie von dem neuerdings erfüllten Sexualleben der Freundin berichten, als ihr Blick auf uns fällt. Wir, das sind neben mir die Töchter, ältestenfalls Mitte 40, die Enkelgeneration hat man ja schon zu Beginn ins Spielzimmer verfrachtet. Sie blickt uns also an und verzichtet auf den weiteren Bericht. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie uns für zu jung und unverdorben für die Sexgeschichten ihrer Freundin hält.
Die nächsten Champagnerrunden verlaufen etwas schweigsamer, denn der Mann kommt mit den Pizzabergen aus der Küche. Ich verstecke das Loriot-Buch hinter ein paar Blumentöpfen in der Loggia und lenke die Aufmerksamkeit auf den Fernseher, um die eisige Stille zu überspielen. „Dinner for One“ scheint mir sicheres Gewässer zu sein, und es hört auch pünktlich um Mitternacht auf. Tatsächlich passiert auch nichts Dramatisches, vielleicht, weil die Männer in dem Stück schon alle tot sind, bis auf den betrunkenen Butler, und er macht ja alles, was seine Herrin ihm befiehlt. Nach dem Anstoßen und Feuerwerk und Frohesneues packe ich ein paar Kilo kalte Pizza zur Wegzehrung ein und versuche, den Mann unauffällig aus dem Haus zu schmuggeln, am besten mit mir, denn ich will auch nach Hause. Man raunt mir noch von allen Seiten Ratschläge ins Ohr, die besagen, ich solle Männern keinesfalls trauen, „Sieh, was aus mir geworden ist“, und wenn es denn ganz unvermeidbar zum Alleräußersten käme: nie ohne Ehevertrag. Visitenkarten von Scheidungsanwälten folgen, und plötzlich werden die Kinder aus dem Spielzimmer befreit, man hat ganz vergessen, sie zum Feuerwerk rauszulassen. Ich vermute, der Mann hat die Tür geöffnet, um abzulenken, wohl weil er in den letzten Minuten noch um sein Leben fürchtete, da der Satz „Naja, es gibt bestimmt auch Nette“ nach der fünfzehnten Champagnerrunde für ihn eher wie eine Morddrohung klang.
„Aber die waren doch nicht alle geschieden“, fragt er schließlich, als wir uns vor ein paar verirrten Restböllern in einen Villenvorgarten retten. „Manche hatten doch sicher auch eine ganz gute Ehe?“ Ich zucke die Schultern, und er sagt nach ein paar Minuten: „Die beiden links unten am Tisch zum Beispiel, die waren doch verwitwet?“ Ich nicke, „Eben drum“, und er schluckt: „Ähm, wie sind die Ehemänner von denen eigentlich gestorben?“