Mittwoch, Februar 27, 2008

Zurück in Westdeutschland: Blankenese

In jedem zweiten Haus gibt's ne Heilpraktikerin, und wenn keine Heilpraktikerin, dann ne Osteopathin. Der einzige Zahnarzt in der Straße ist auf Implantate spezialisiert. Die andere Straße runter ist eine Anwältin, die heißt Mordhorst mit Nachnamen. Und beim Italiener sitzen immer Touristen rum, die drauf warten, dass Otto vobeikommt. "Isse sone deutsche Spaßvogele, diese Otto, eh?", sagt der Wirt, der sich mit den enttäuschten Touris unterhält, weil Otto gerade nicht da ist.
Dahlem war irgendwie anders.

Parallelwelten (Möbelpacker)

Dramatis Personae:
Möbelpacker M
HH (in HH)

HH: Wenn Sie gerade diesen Karton vielleicht nicht so werfen würden…
M: Sind doch Bücher!
HH: Wären es Bücher, stünde nicht „zerbrechlich, nicht stapeln“ drauf.
M: Das müssen Sie anders draufschreiben.
HH: Wie denn? „Ganz arg furchtbar zerbrechlich, am besten gar nicht anfassen“?
M: Das wär’s.
HH: Na.
M: …so, und wo kommt jetzt der Computer hin?
HH: Welcher Computer? Meinen Laptop hab ich doch hier…
M: Na, hier!
HH: Achso, die Mikrowelle. Ja, am besten in die Küche?
M: Ach, das ist…
HH: Genau.
M: Und die Schrankwand?
HH: Die Schrankwand bauen Sie wieder ins Klavier ein, wo sie die Kollegen ausgebaut haben.
M: Oha, das gehört zum Klavier…
HH: Sie machen sowas heute zum ersten Mal?
M: Nö, bin schon seit fünf Jahren dabei.
HH: Aber Sie wissen grob, was ein Klavier ist? Ich meine nur, nicht, dass Sie es falschrum aufstellen, wie mein Stehpult.
M: Ihr was?
HH: Stehpult. Das haben Sie auf den Kopf gestellt.
M: Ach…
HH: Tja…
M: Man lernt ja nie aus…
HH: Nee…

Freitag, Februar 22, 2008

Anspruch

Beim Buchhändler

Dramatis Personae:
Buchhändlerin B
Kundin K
HH

B: Na und Magnus Mills ist noch toll!
HH: Oh ja, kenn ich gut! Großartig! Oder hier, die Dische fand ich auch super!
B: Jaaa! Da ist wenigstens was dahinter!
HH: Super, so ne Hauptfigur, das muss man erstmal...
B: Svevo! Italo Svevo!
HH: Zeno Cosini?
B: Waaaaahnsinn!
HH: Das Ende ist bisschen ...
B: Fand ich auch.
HH: Aber das hier geht gar nicht.
B: Ja, so leichte Frauenliteratur, nee.
HH: Wie die Kürthy.
B: Geht gar nicht.
HH: Da könnt ich mich ja aufregen ...
B: Also wer sowas liest ...
K (kommt rein): Guten Tag, ich such was von der Kürthy oder wie die heißt!
B: Von der Kürthy?
K: Ja ich will in Urlaub und im Flieger muss ich was lesen.
B: Was ohne Inhalt?
K: Ähm, ja.
B: Kein Anspruch?
K: Bloß nicht!
B: Nun. Ähm ...
HH: Fielding?
B: Ah!
HH: Kinsella!
B: Richtig!
K: Nehm ich alles mit! (zahlt und geht)
B: Woher ...
HH: Keine Ahnung, irgendwie ... So halt!
B: Nicht mal ich ...
HH: Na aber manchmal schaut man doch ...

Dienstag, Februar 19, 2008

Stillgelegt

Beim Zahnarzt.

Dramatis Personae:
Zahnärztin Z
HH

HH: Und das ist echt nichts Schlimmes?
Z: Nein! Hab ich Ihnen doch jetzt schon fünf Mal gesagt! Achtung, das tut jetzt ein bisschen weh.
HH: (fiept)
Z: Ich betäub das mal. Nur oberflächlich. Ist gar nichts Aufregendes. (sprüht irgendwas) Sooooo, jetzt müsste es besser sein.
HH: (fiept)
Z: Fertig, sehen Sie?
HH: Fubba.
Z: Bitte?
HH: Fubba, baff wir fon ferfif fin.
Z: Oh, hab ich Ihre Zunge erwischt?
HH: Iff popal bepäup.
Z: Tja. Passiert.
HH: Iff muff heub inf Fernfehn.
Z: Ähm - ahja?
HH: Bauerp baf noch länger?
Z: Nun... Wann müssten Sie denn?
HH: Iff wollp metf moffahn.
Z: Uiiiii... Ach das legt sich bestimmt gleich wieder...

Sonntag, Februar 17, 2008

Echte Fans

Nach der Veranstaltung.

Dramatis Personae:
Besucher B (70+ und was man distinguiert nennt)
HH (30+, aber das ist ja bekannt)

B: Frau Heiland, ich habe Ihre Geschichte übrigens gelesen.
HH: Ach! Das ist ja ...
B: Ich meine, die ist schon irgendwie in Ordnung und so weiter, so vom Aufbau und alles ...
HH: Na, immerhin!
B: ... aber, meine Liebe, das kann man doch so nicht machen, ich meine ...
HH: Nein?
B: Frau Heiland, Sie hebeln doch das ganze Weltgefüge aus!
HH: Ach das Weltgefüge gleich!
B: Man muss doch irgendwo noch Fixpunkte haben!
HH: Meint?
B: Sie können doch nicht ... Da ist man doch am Ende ganz verwirrt ...
HH: Soll man ja auch!
B: Ich weiß nicht, junge Dame, ich finde das nicht gut. Wenn ich Ihnen mal einen Rat geben darf, liebe Henriette, ich darf Sie doch Henriette nennen ...
HH: Von mir aus gerne, auch wenn mich andere Leute zum Beispiel gerne mal Henrike nennen, aber bleiben Sie ruhig bei Henriette. Ich hör auf fast alles.

Autobahnklos

Auf der Autobahnraststätte. Irgendwo in Mecklenburg. Damentoilette. In der Kabine neben mir: Mutter mit Kind. Im Radio: Schlechte englischsprachige Popmusik. Das Kind singt mit: Lalalaaaaa, kräht es an Melodie und Rhythmus vorbei, hin und wieder sogar eine englisch klingende Lautansammlung.
Ich komme aus der Kabine. Mutter und Kind kommen aus der Kabine. Das Kind ist ein winziger kleiner Junge. Vielleicht so zwei oder drei, ich kann Kinder so schlecht schätzen. Klein halt.
„Wow, der ist ja musikalisch!“
„Wieso?“
„Na, singt son Popsong aus dem Radio mit und trifft sogar ab und an nen Ton …“
„Der hat gar nicht mitgesungen.“
„Der hat … nein?“
„ICH hab mitgesungen!“
Manchmal muss man gar nicht so viel machen, um sich zu blamieren. Das gilt für mich.

Men In Trees

In dieser manchmal gar nicht so unlustigen Serie wird der Eindruck vermittelt, in Alaska säßen überall Männer herum, sogar in Bäumen. Als sei dies unfassbar außergewöhnlich und eben nur in Alaska so. In Berlin finden sich auch Männer in Bäumen, in Dahlem beispielsweise, da vertreiben sie sich gerne ihre Zeit in Bäumen. Heute Nachmittag erst sah ich im Park einen Mann aus den Bäumen kommen. Er hatte lange braune Dreads und eine Motorsäge und sagte „Hallo“. Da mir meine Eltern nicht beigebracht haben, was man so alles in genau so einer Situation tut – also mein Papa hat eigentlich nie gesagt, Kind, wenn ein Mann mit einer Motorsäge aus einem Baum kommt, dann musst Du Folgendes tun… - da mir also die gesellschaftliche Konvention nicht bekannt war, probierte ich es ebenfalls mit „Hallo“. Er fühlte sich ermutigt, nach meinem Handy zu fragen, dessen Existenz ich kaum leugnen konnte, da es wegen einer eingehenden SMS gerade vor sich hinpiepte. „Vielleicht?“, versuchte ich. „Muss ... jemand angerufen werden?“ Es gibt Situationen, da fällt einem einfach nichts wirklich Gutes ein. Der Mann nickte, zeigte mir in einem Notizbuch die Telefonnummer seines Chefs und instruierte mich, so dass ich der Mailbox seines Chefs erklären konnte, Christian – der Mann mit der Motorsäge offenbar – sei fertig mit der Arbeit.
Das war’s auch schon. Ich stellte mir später vor, dass der Mann mit der Motorsäge vielleicht für die Stadt arbeitet, und dass der Senat beschlossen hat, Telefonkosten bei den Mitarbeitern zu sparen. Deshalb wurde angewiesen, zufällige Passanten zu bitten, die notwendigen Anrufen zu tätigen, um so die Kosten auf die Bevölkerung zu verteilen. Möglichst auf die direkt betroffene Bevölkerung, meint, wenn ein Arbeiter in Dahlem im Park arbeitet, fragt er Anwohner, die den Park nutzen, und schon ist alles ganz gerecht. Als nächstes könnte der Senat einführen, dass städtische Mitarbeiter Fahrtkosten einsparen und einfach an der nächsten roten Ampel in ein Auto steigen, um sich zurückfahren zu lassen.
Ich hoffe, ich habe jetzt niemanden auf dumme Gedanken gebracht. Liest jemand vom Senat mit?

Mittwoch, Februar 13, 2008

Space Dog

Nachdem wir schon seit gut zwei Stunden durch nächtliche Dahlemer Villenstraßen stapfen und uns überlegen, welche Villa wir gerne hätten, wenn wir mal groß sind, finden wir einen Hund. Er ist weiß und hat so ein pudeliges Fell, ist aber kein Pudel. Irgendwie ist er viel komischer gebaut als ein Pudel, ja, sieht irgendwie noch komischer aus. Und teuer. Der Hund sieht teuer aus. Bestimmt hat er schon Hundeausstellungen gewonnen. Ich finde ihn trotzdem hässlich und will ihn stehen lassen, aber er läuft uns glücklich hinterher. Außerdem mag A. Hunde. Sie hat selbst einen, den sie immer hinter sich her zerrt, wenn wir nachts durch Dahlemer Villenstraßen stapfen und uns überlegen, welche Villa wir gerne hätten, wenn wir mal groß sind. Aber A.s Hund hat noch keine Hundeausstellung gewonnen und sieht eher aus wie ein goldenes Langhaarferkel, besonders, wenn er anfängt, hinter eingebildeten Stöckchen herzugaloppieren. Jedenfalls, das weiße pudelige Ding mag uns und folgt uns, und außer uns ist eigentlich niemand zu sehen. Wir gehen hundert Meter in jede Richtung und suchen Herrchen, Frauchen oder sonstwas. Wir rufen auch in die Vor- und Hintergärten nach etwaigen Besitzern dieses seltsamen Tiers, das nun anfängt, alle fünfzig Zentimeter sein Revier zu markieren. Dabei hebt das Ding nicht etwa das Beinchen wie alle anderen Hunde, nein, es macht dazu einen ballettartig anmutenden Hundertachtziggradwinkel, ohne umzukippen. A.s Köter staunt nur. A.s Köter kann eigentlich nur das Hinterteil einknicken, oder die Pfote vielleicht so drei Zentimeter über den Boden heben. Vielleicht ist das weiße, gekräuselte Ding ja auch gar kein Hund.

A. findet eine Telefonnummer am Halsband. Wie es sich für ein teures Ausstellungstier gehört, ist es markiert und hat eine Rücksendeadresse. Die ist bei dieser Telefonnummer hinterlegt, erklärt A. Also rufe ich an. Die Nummer beginnt verdächtig mit 061, mir schwant fürchterliches, wenn nicht gar hessisches, und tatsächlich komme ich in Hattersheim raus. Vom Hessischen schwirrt mir augenblicklich der Kopf, es ist wie eine ungewollte Rückfahrkarte in eine ungewollte Kindheit. Ich erkläre die Misere mit dem komischen Ding, das uns hinterherläuft, und die Frau am anderen Ende der Leitung erklärt: Guggese dochemal uff de Rückseit vo dem Metallmärksche, da is so e Nümmersche reingeschtanzt, des lese Se mir emal vor, gell. Dann könnemer des Tiersche gleisch einsortiern.

Einsortieren. Wir versuchen, das Ding wieder einzufangen und das Nümmersche herauszufinden, aber das Ding mag uns offenbar nicht mehr, es verschwindet einfach in einem der Villengärten. Ei, des is awwer blöd, sagt die Frau in Hattersheim, und aus dem dunklen Garten hören wir es husten. Der Besitzer ist aufgetaucht, erkläre ich und lege auf. Der Besitzer klemmt sich sein Ausstellungsding unter den Arm und verschwindet im noch dunkleren weil tatsächlich unbeleuchteten Haus. Das Ganze hat etwas Unwirkliches. Ich versuche, das Hessische aus dem Ohr zu bekommen, und wir zerren A.s Köter weiter mit uns durch die nächtlichen Dahlemer Villenstraßen. Ich habe so meine Zweifel, ob es das in Blankenese auch alles geben wird.

Sonntag, Februar 10, 2008

Chef kocht

Beim Thailänder

Dramatis personae:
HH (mit Allergienotfallset zugange)
Bedienung

Bedienung: Sie haben ja gar nichts gegessen!
HH (kippt halbe Flasche Antihistamine rein): Wie denn, Sie haben da was reingeworfen, auf das ich allergisch bin!
Bedienung (seelenruhig, blättert in der Karte): Was hatten Sie denn? Die 71?
HH: Ja und alles, was da steht, kann ich essen!
Bedingung: Aber das ist doch dann gut!
HH: Nein, weil irgendwas IM Essen nicht gut war!
Bedienung: Unmöglich! Ich frag in der Küche.
Drei Minuten später:
Bedienung: Da ist nur drin, was auf der Karte steht.
HH: Ahaaaa! Und was war das schrecklich seifige Zeug, auf dem ich rumgekaut hab?
Bedienung: Seifig?
HH: Ja. Limonig. Zitronig. Seifig. Was weiß ich. Jedenfalls steht das NICHT auf der Karte und es WAR drin. Dann ist ja wohl auch möglich, dass was anderes AUCH noch drin war, auf das ich allergisch bin.
Bedienung: Obwohl es nicht auf der Karte steht?
HH: Na ich kann ja wohl auch auf was allergisch sein, was NICHT auf der Karte steht.
Bedienung: Was passiert eigentlich, wenn Sie so allergisch sind?
HH: Jetzt gerade? Och, geht eigentlich noch. Riesige Bläschen auf den Schleimhäuten, die tierisch jucken. Wollen Sie mal sehen?
Bedienung: Ich bekomme ja manchmal nachts, wenn ich zu Hause bin, sowas auf der Hand, das juckt dann auch immer so.
HH (nah am Hyperventilieren): Das interessiert mich gerade nicht sooo wirklich. Mir wäre lieber, ich wüsste, worauf ich gerade reagiere!
Bedienung: Der Koch hat gesagt, da ist nichts drin, was nicht auf der Karte steht. Wollen Sie lieber was anderes essen?
HH: Ich esse heute garantiert nichts mehr, was da aus dieser Küche kommt.
Bedienung: Also ich kann mir das nicht erklären, heute kocht doch der Chef selbst!
HH (wirft zur Sicherheit noch eine Antihistamintablette hinterher): Ach, der Chef! Na der macht dann sicher keine Fehler!
Bedienung: Niemals!
HH: Hat er das überhaupt gelernt, Kochen mein ich, wenn er der Chef ist?! Das heißt ja erstmal nix.
Bedienung (ausweichend): Ich frag ihn noch mal.
HH: Was, ob er Kochen kann oder was?

Kill Your Idols (Now)

Es sind viele Musikfilme auf dieser Berlinale, Patti Smith hat auch einen mitgebracht („Dream of Life“), und weil sie sowieso schon da ist, gibt sie gleich ein Konzert. Kein richtiges Konzert im Sinne von mit Band und so, sondern eher, sagen wir, ein Liederabend mit Gedichten.
Das ist toll, Patti Smith schreibt wunderbare Gedichte, wie ihre Liedtexte. Ich schleppe sogar seit über fünfzehn Jahren ein Buch mit ihren Gedichten herum. Wir freuen uns also. A. sagt: „Damals in den Achtzigern, als ich in New York war, wir haben ihre Lieder auf der Straße gegrölt, und ich konnte nur zu ihrer Musik malen.“ Sie zieht mich damit auf, dass ich gerade mal so alt bin wie Patti Smiths erste Platte „Horses“.
Wir hören „Horses“ im Auto und grölen mit. Finden einen Parkplatz, über eine Stunde zu früh, und sind nicht die ersten, die in die Kirche wollen. Gut zweihundert Leute stehen schon da, und kaum reihen wir uns irgendwo ein, wächst die Schlange hinter uns. Die Leute um uns herum sehen so aus, als wäre Smiths erste Platte eben erst erschienen, oder vielleicht sind es auch die frühen Achtziger, nach denen sie aussehen. Bei genauer Betrachtung sehen sie so aus, als würden sie schon seit über zwanzig Jahren exakt so aussehen, wie sie aussehen. Die Männer haben lange Haare und Lederjacken, aber sie sprechen über Vermessungstechnik und Aktenablagesysteme, der eine telefoniert aufgeregt mit dem Nachtportier seiner Firma, weil ein Mitarbeiter versehentlich eingeschlossen wurde. Wir lächeln alle ein bisschen, weil klar ist: Es sieht nur noch von weitem wie Punkrock aus, und das liegt nicht daran, dass wir vor einer Kirche anstehen.
Drinnen wird es eng, jeder drängt in die Kirchenbänke und will vorm Altar sitzen, der Rest muss rumstehen. Die Herren neben uns haben einen Flachmann reingeschmuggelt, Reminiszenz an den Punkrock vielleicht. „Schimm Bimm“, strahlt einer und meint, was er sagt. Als der Flachmann leer ist, also nach einer viertel Stunde, schreien die beiden nach Bier und werfen jedem, der aufsteht, um Getränke zu holen, Zehn-Euro-Scheine hinterher. Kein Punkrock. Dann fängt es an.
Patti Smith darf alles. Sie hatte ihre Zeit, sie hat sie immer noch, auch mit einundsechzig, sie rockt noch wie früher, hieß es erst vor kurzem in einer Konzertkritik. Aber sie darf auch ruhiger sein, damit rechne ich, wohl kaum wird sie hier und heute „Gloria“ singen, einiges andere sicher auch nicht, aber es bleibt genug. Sie kommt rein, alle jubeln, sie singt a cappella, alle jubeln, sie liest ein paar Gedichte, und es wird schwierig, weil die Hälfte des Publikums nicht genug Englisch versteht. Egal, es klingt gut, A. war lange genug in New York, ich gewöhne mich auch nach ein paar Sätzen an den amerikanischen Akzent. Obwohl, Berta Breck hat offenbar irgendwo in der Nähe ihr Grab. Nein. Sein Grab, vielleicht Bert A. Breck, ok, es dauert einen Moment, bis ich’s kapiere. Am Sonntagmorgen will sich Patti Smith auf sein Grab legen, wir können auch alle kommen. Bertold. Brecht. Klar. Aber auch diese amerikanische Akzenthürde nehme ich. Patti Smith darf alles. Man verzeiht ihr, dass sie nicht weiß, ob sie ihre Gitarre rechts oder links von sich abgestellt hat, dass sie ihre Brille sucht und wieder weglegt und wieder sucht, dass sie manchmal vergisst, welches Lied sie gerade singt.
Aber dann kommt Giovanni. Giovanni Sollima, Cellist, Ausnahmetalent heißt es, jedenfalls bei Wikipedia, da haben wir nach dem Konzert nachgeschaut. Es passt nicht. Vielleicht passt es ja, aber wir mögen es nicht. Das ist so eine synchrone Entwicklung. Ich sage erst einmal nichts, weil ich A. den Abend nicht verderben will, und A. sagt nichts, weil sie mir keine Flausen in den Kopf setzen will, sie trinkt lieber ungefähr acht Gläser Weißwein und schmollt. Nach der ersten Zugabe rennen wir raus, als hätten wir’s verabredet, und zwei im Alter der Sängerin, die aussehen, als wären sie stolze Reihenhausbesitzer irgendwo hinter Spandau, freuen sich über unsere Plätze. Noch nie Punkrock.
„Der hat alles verkratzt“, grollt A. „Der soll zu den Philharmonikern, der Idiot.“ Und: „Den hat sie doch gar nicht nötig.“ Schlimmer aber fand ich die Liedauswahl, die mir vorkam wie bei einem Konfirmandenausflug, evangelisches Zeltlager mit Lagerfeuer und Akustikgitarre. Nicht das, was ich erwartet hatte, es ist immer so ein Problem mit den Erwartungen, besonders, wenn eine Heldin der Jugendtage vor einem steht. Kill your idols, oder besser: Triff sie niemals.

Montag, Februar 04, 2008

Diese Woche....

...ist Andrea Camilleri im ZDF Infokanal an der Reihe.

Fremdruhm

An der Wursttheke

Dramatis Personae:
Wurstverkäuferin V
HH, wurstkaufend


V: Wie jeht’sn dem Wauzi?
HH: (langes Schweigen, dann) Hä?
V: Ach sind Se jar nich…?
HH: Wie?
V: Sie ham jar keen Hund, wa?
HH: Nee also echt nich! Könnt ich da von dem Schinken…
V: Dann hab ick Sie vawechselt. Aber ick kenn Sie irjendwoher…
HH: Ah?
V: Sie kommn mir sowat von bekannt vor, also dit jibt’s jar nich!
HH: Na vielleicht von hier aus dem Laden. Ich würd von dem Schinken da…
V: Nee! Nee! Sie ham ja keen Hund, sonst hätt ick jesacht, Sie sind die Frau mitm Hund!
HH: Nee die bin ich nich. Geben Sie mir hundert Gramm von…
V: Wo hab ick Sie schon mal jesehen…? Ach nu weeß ick: Ausm Fernsehen!
HH: (freut sich) Ach, letztens der Beitrag im RBB?
V: Nee, nee, ick schau nie RBB, un dit war keen Beitrach, Sie ham doch ne eijene Sendung!
HH: Hab ich? Na das wüsst ich doch!
V: Dit war um Bücher!
HH: Naja, zufällig schreib ich Bücher…
V: Jenau! Krimis! Jetz weeß ick wieder.
HH: Stimmt! Aber ich hab keine eigene Sendung.
V: Doch, hamse! Warten Se mal, wie warn nochmal Ihr Name…
HH: Heiland?
V: Nee!
HH: Doch, ich werd doch wohl wissen…
V: Dorn! Thea Dorn! Sie sind die Thea Dorn!
HH: Ach das ist doch jetzt nicht Ihr Ernst! Ich seh der doch noch nicht mal von weitem ähnlich! Und jetzt hätt ich gern von dem…
V: Hab ick doch jesehen, im Fernsehen! Ick bin doch nich blind!
HH: Sie schaun sich also Literatursendungen im SWR an, aber RBB schaun Sie nicht?
V: Naja, die Tochter, eijentlich. Die studiert ja. Un die hat jesacht, Mutti, hat die jesacht, die Thea Dorn is aus Berlin. Na un nu sind Se ja auch hier!
HH: Ich bin’s aber gar nicht!
V: Aber wenn Se nich die Thea Dorn ausm Fernsehen sind, wer sind Se denn dann?
HH: Gute Frage. Ab heute die Frau mit dem Seranoschinken. Hundert Gramm.

Sonntag, Februar 03, 2008

Leipziger Buchmesse


Am 16.3. um 13 Uhr gibt's die Lesung von meinem Kriminalstückchen "Der unglückliche Herr Dr. von und zu Wittenstein" am Stand des Poetenladen. Der ist gleich gegenüber von der Lesebühne.
Die Geschichte erscheint in der von Christiane Geldmacher herausgegebenen Anthologie "Hell's Bells". Mit dabei sind außerdem Norbert Horst, Sabine Thomas, Jürgen Albertsen, Sabina Altermatt uva. Kurz: Lohnt sich.

Samstag, Februar 02, 2008

Schweriner Kriminacht

Am 14.2. um 20:30 Uhr präsentiert die Buchhandlung Weiland in Schwerin die Krimikurzgeschichtenanthologie "Der Petermännchenmörder". Darin finden sich die 10 besten Beiträge der Einsendungen. Vorgestellt werden die Preisträger Platz 1-3, anwesend ist die Jury, ja, da gehör ich auch dazu.
Selbstverständlich wurde von mir auch eine Geschichte in das Büchlein geschmuggelt, aber ich hab außer Konkurrenz teilgenommen. Deshalb sind in Wirklichkeit 10+1 Geschichten drin.
Eintritt ist frei, es gibt was zu essen und zu trinken, und Musik außerdem.
Also kommt!

Freitag, Februar 01, 2008

Henrike liest in München

Jetzt steht's:
11. März, 16 Uhr, Justizpalast.
Und am selben Abend: 20 Uhr im Ampere (Muffathalle) liest Daniel Scholten, präsentiert von der Focus-Mordkommission, also u.a. von mir.

Wie werde ich nicht berühmt

Der Journalist gießt meinen Wein auf. Ich erkläre ihm zum ungefähr achtzehnten Mal, dass ich nichts trinke und eigentlich nach Hause fahren möchte, abgesehen davon, dass wir schon seit einer halben Stunde fertig sind mit dem Interview. Aber er doziert weiter über seine Lieblingsbücher und Lieblingsbands, seine Lieblingsfilme und Lieblingsitaliener in München und vielleicht auch außerhalb, und weil ich ein höflicher Mensch bin, höre ich höflich zu und nicke mit Ahs und Ohs. Mein Weinglas läuft fast über, weil er dauernd nachgießt, ohne dass ich daraus trinke. Er trinkt dafür umso eifriger.

Wir sitzen übrigens in seinem Wohnzimmer, es ergab sich so und war im Grunde auch nicht weiter schlimm, wir kennen uns ja lose schon eine Weile, beruflich, ohne tieferen Sinn, und er hat eine komplizierte Geschichte erzählt, in der seine Kinder, sein Auto und diverse andere Unwegsamkeiten vorkamen. Dann erklärt er mir sein wirres Liebesleben, ohne dass ich danach gefragt hätte. Ich bin höflich und mache an den entsprechenden Stellen ein entsprechendes Gesicht. Zwischendurch klingelt immer wieder das Telefon, und er behauptet, sein Bruder rufe so hartnäckig an. Endlich vertraut er mir an, wie schrecklich seine Ex-Freundin sei, als es an der Tür klingelt. Wieder zurück, spricht er von seinem Nachbarn, der offenbar etwas bringen oder holen wollte, nun. Nachbarn. Er spricht weiter über seine Ex-Freundin, sie sei so aufdringlich, schicke ihm Päckchen, lasse ihn nicht in Ruhe, störe ihn Tag und Nacht, und überhaupt, sie sei schon immer die Falsche gewesen. Ich höre zu, höflich immer noch, und sehe, wie sich hinter seinem Rücken eine dunkelhaarige Frau in das Zimmer schleicht. Sie stemmt die Hände in die Hüften und hört aufmerksam zu. Als er kurz Atem holt, frage ich, höflich: „Nur, damit ich das einordnen kann: Sprechen wir von ihr?“ Ich zeige vage in ihre Richtung. Er dreht sich um, springt auf und versucht, sie aus dem Zimmer zu schieben. Sie kratzt und beißt und schreit: „Ex-Freundin, ja? Und letztes Wochenende waren wir noch zusammen im Urlaub!“ Ich will mich verabschieden, in aller Form, doch beide keifen mich an, ich solle sitzen bleiben. Beide brauchen offenbar für irgendetwas einen Zeugen. „Du hast gesagt, sie sei fett und hässlich und dass Du nichts von ihr willst“, knurrt die Frau, und ich versuche, aus reiner Höflichkeit, fett und hässlich auszusehen, aber es hilft nichts. Sie gehen zum Weiterstreiten in ein anderes Zimmer, und ich kann endlich nach Hause fahren.

Hätte er mich vorher gefragt, ich hätte die Sache leicht mit einem Och nö abkürzen können, und der Ärger mit der Dame wäre ihm erspart geblieben. Das Interview erscheint ja nun so oder so nicht. Und mich entzückt die Dummheit der Männer.

Nichtkonsumieren

Nirgendwo in Berlin wird es einem leicht gemacht mit dem Einkaufen. Tod’s am Ku’damm ist keine Ausnahme. Die verkaufsfeindliche Gesinnung ist auch nach Brandenburg übergeschwappt (schwappt Gesinnung?), zu Leonardo im Sterncenter zum Beispiel. Was ich bei Leonardo im Sterncenter mache? Mein Nachbar, der Hauswart, hatte Geburtstag, und wir hatten so eine Idee, wir alle, ihm eine Art zweite Aussteuer zu kaufen. Das ist im Grunde eine lange Geschichte, aber jetzt geht es um die Verkaufshaltung der Verkäufer in Berlin-Brandenburg. Jedenfalls, Leonardo. Ich habe einen Auftrag, viel Geld, weil wir ja zusammengelegt haben, und kaufe den halben Laden. Bitte den Verkäufer, für den ich mit Sicherheit die erste zahlende Kundin des Tages, wenn nicht der Woche war (Samstag Abend 20 Uhr), all dieses Zeugs geburtstagsgerecht zu verpacken.
Er macht ein leidendes Gesicht. „Das alles?“, fragt er schwermütig, und ich erkläre ihm ein bisschen, wie das so ist mit Geburtstagsgeschenken und wenn man sie in anderen Geschäften kauft. Ich sage nicht: in westdeutschen Geschäften, wahrscheinlich stimmt das nämlich auch gar nicht mehr und es ist nur alberne Verklärung meinerseits. „Das alles?“, wiederholt er, diesmal mit einem tiefen Seufzer, und er schafft es sogar, ganz grau im Gesicht zu werden. Wenigstens bruchsicher, weil, Glas, bitte ich und wedle mit der goldenen Kreditkarte, die ihn überhaupt nicht beeindruckt. Am liebsten würde er nämlich den ganzen Tag nur hinter seiner Theke sitzen und an die Wand starren.
Er packt schließlich bruchsicher ein, in einer Geschwindigkeit, die mich ganz krank macht, weshalb ich sage, ich gehe noch mal woanders einkaufen. Ich drücke mich ungefähr eine Stunde in Geschäften herum, die ich sonst nie betreten würde, und als ich zurückkomme, packt er immer noch. Mittlerweile mit entschlossener Sturheit im Blick. Was mit der aus dem Nichts aufgetauchten Neukundschaft zu tun haben könnte. Die Herrschaften sehen für eine halbe Sekunde so aus, als wollten sie etwas kaufen, doch da er den Blick nicht hebt und jede ihrer Fragen ignoriert, gehen sie wieder. Er hasst wirklich seinen Job.
Genau wie die Frau im Breeladen gleich beim Hackeschen Markt. Sie kommt erst gar nicht aus dem Hinterzimmer raus. Ich stapfe auf und ab und klappere mit den Absätzen, sie bleibt in ihrem Hinterzimmer. Ich rufe, sie lässt sich Zeit, und als sie endlich erscheint, möchte ich mich entschuldigen und fragen, ob ich sie gestört habe, so schaut sie mich an. Ich frage nach laptopfreundlichen Taschen. Sie erklärt, leidend: „Da gehen alle!“ Ich nehme eine winzige winzige Handtasche und sage: Ah, dann nehm ich doch gleich die hier?! Schwerfällig nennt sie ein paar Farben und Materialien, die verfügbar wären, und ich habe kein Mitleid, ich lasse sie jede einzelne Tasche mit dem Zentimetermaß ausmessen, bis ich mich für die entscheide, die ich sowieso von Anfang an wollte. Zwischendurch telefoniere ich sogar noch, und sie muss warten, ich bin ja die Kundin. Erst gegen Ende wird sie ein bisschen freundlich, seltsamerweise nachdem ich erkläre, dass ich nicht etwa mit einem Fahrrad, sondern mit einem Auto unterwegs bin. Das findet sie so unfassbar, so ichweißnichwas, dass sie glatt das Plaudern anfängt, aber da habe ich das Interesse schon wieder verloren und gehe, mit der Tasche, ohne Auf Wiedersehen.

In vier Wochen wohne ich wieder in Westdeutschland. Mal sehen.