Vorhin haben sie das Hamburg-Konzert von Rufus Wainwright auf arte gezeigt. Dafür hatte ich Karten, aber, naja, siehe Eintrag vom 2.12. Vor dem Fernseher konnte ich mir aussuchen, ob ich mich a.) ärgere über das, was ich verpasst habe oder b.) freue, dass arte diesen einen Abend extra für mich gefilmt hat. Eindeutig b., aber noch aus einem anderen Grund: die Schwenks ins Publikum.
Es ist doch so: Wenn man etwas besonders gerne mag, dann ist man sich sicher, dass es sich insgesamt ausschließlich um ganz besondere Menschen handeln muss, die dieses Etwas auch ganz besonders mögen. Deshalb will man außerdem, dass die Menschen, die man für besonders hält, mit einem seine besonderen Vorlieben teilen. Auf einem Rufus Wainwright-Konzert tummeln sich somit in der eigenen Vorstellung ausgebildete klassische Musiker, Menschen mit feinem Verständnis für die subtilen und weniger subtilen Texte, Liebhaber ausgesprochen exzentrischer Mode und Verfechter der homosexuellen Lebenskultur. Man selbst, bescheiden von Hause aus, ist überzeugt, in dieser wunderbaren Menge noch der gewöhnlichste, langweiligste Besucher zu sein.
Es ist nicht so. Die Kamera zeigt verzückte Sachbearbeiterinnen jenseits der 45, die mit geschlossenen Augen mitsingen und dazu schunkeln. Spätestens seit Hornbys „About A Boy“ ist klar, dass Singen mit geschlossenen Augen gar nicht geht. Dann auch noch an den falschen Stellen, so dass klar ist: Sie wissen leider gar nicht, was sie da mitsingen. Die Kamera zeigt auch schnauzbärtige Herren um die 50, neben ihnen die jeweils Angetraute, die selbst an diesem Abend nicht begreifen wird, woher seine Begeisterung für den jungen Rufus kommt.
Dafür wechselt Wainwright mindestens vier Mal sein Bühnenkostüm, seine Band muss in gestreiften bunten Anzügen performen, und ach, es ist schon schön. Auch vorm Fernseher: kein Gekreische, keine schlechte Luft, niemand, der trotz Sitzreihen plötzlich meint, vor einem aufstehen und die Sicht verstellen zu müssen, kein verschüttetes Bier vom Sitznachbarn auf der Strumpfhose, und vor allem: keine mit geschlossenen Augen an den falschen Stellen sehnsuchtsvoll mitsingenden Konzertmitbesucherinnen. Ach, ich bin gemein. Ich weiß schon. Und ich weiß auch, dass es noch viel schlimmer geht: Wenn man zum Beispiel, sagen wir, ein Lieblingsparfum hat, und dann macht, jetzt muss ich mir was Schreckliches ausdenken, Celine Dion Werbung dafür. Das geht gar nicht. So gesehen ist eigentlich alles gut.
Samstag, Dezember 29, 2007
In With The Ladies
Eingestellt von Henrike um 3:28 AM
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5 Kommentare:
*amüsiert sich
gell, du hättest das konzert verpasst, wenn ichs dir nicht gemailt hätte?
**wichtiger blick
***muss sich rufus auf youtube reinziehn
aber rufus ist so ein grandioser name.
ich mag ja auch basil sehr.
*anglophil
räusper...
"ausgebildete, klassische musiker..."
nein, die wünschst du dir nicht im publikum, weil du eigentlicht weißt, daß, z.b. die erste geige in der symphoniekonzertpause als erstes in den aufenthaltsraum der technik rumpelt, eine flasche bier inhaliert, sich rülpsend nach dem spielstand kreuter fürth gegen erzgebirge aue erkundigt und nebenbei noch ungefragt die aktuelle schlagzeile der bild kommentiert...
@ ae: man DARF ja ein bisschen träumen und sich so sachen einbilden ...! und DU weißt am besten, dass ich am besten weiß, wie die in wirklichkeit sind, die klassiker!
@ anobella: am kühlschrank hing schon seit tagen ein zettel: rufus, freitag, arte. aber ich war ganz gerührt, dass du an mich gedacht hast!!! *herzt* **weint ein bisschen**
...und außerdem: wer hat was von orchestermusikern gesagt?!
*naserümpf*
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