Sonntag, Juni 17, 2007

Das Wetter

Ich zitiere aus der Berliner Zeitung: "An der Wetterstation in Berlin-Dahlem wurden bis in die Morgenstunden insgesamt 57 Liter Niederschlag auf einem Quadratmeter registriert. Allein zwischen 1.00 Uhr und 2.00 Uhr seien 39 Liter Regen gefallen, sagte Jörg Riemann vom privaten Wetterdienst MC-Wetter. Normalerweise fielen dort 70 Liter im gesamten Monat." Die Feuerwehr rief den Ausnahmezustand aus und registrierte ein paar Hundert Wasserschäden. Nur deshalb so wenige, weil der Notruf irgendwann zusammenbrach und man nicht mehr durchkam.
Ich wohne in Dahlem. Der Ablauf vor meinem Küchenfenster war verstopft. Als ich gestern gegen 2 Uhr nach Hause kam, schwamm friedlich mein Staubsauger zwischen Kühlschrank und Waschmaschine herum. Mein Nachbar und Hausmeister kam wenig später von seinem Skatabend, als ich noch darüber nachdachte, warum Staubsauger schwimmen können. Zum Glück liegt die Küche ein paar Zentimeter tiefer als der Rest der Wohnung, und die Schwelle zum Flur ist auch recht wirksam, wie ich jetzt weiß. Wir haben bei ungefähr 100 Litern aufgehört zu zählen. Meine Küche hat 20 Quadratmeter. Und jetzt rechnet mal.

Samstag, Juni 16, 2007

Hauptsache da oben irgendwo, oder wie (Irland re-reloaded)

Interessanterweise ist für einige Menschen Irland ein Synonym für Schottland. Wenn sie dann gemerkt haben, dass Schottland auf der anderen Insel ist, heißt Schottland auch gerne mal England, aber das ist so ein historisches Problem.
Irland und Schottland haben für den entfernten Betrachter mit romantischer Ader, der noch nie dort oben im Norden war, weil Malle und viel wärmer und so, und der seine Kenntnisse der Britischen Inseln aus Pilcherverfilmungen zieht, also Irland und Schottland haben für diese Menschen eine Menge Gemeinsamkeiten, weshalb das mit dem Verwechseln so leicht geht: An beiden Orten sind die Menschen grundsätzlich rothaarig und blass, trinken zuviel, raufen gerne und haben schlechte Zähne. Sowohl Irland als auch Schottland bestehen in erster Linie aus Schafen und grünen Hügeln. Bier und Whisk(e)y zählen zu den Grundnahrungsmitteln. Weder die Iren noch die Schotten können kochen. Es regnet immer, und warm ist es nie.
Soweit also die behaupteten Gemeinsamkeiten. Mal abgesehen davon, dass die einen in der Mehrzahl katholisch, die anderen protestantisch sind, dass die einen den Euro, die anderen das Pfund usw., auch mal ganz abgesehen von der politischen Entwicklung und der Arbeitslosenrate, den Kleeblättern und den Dudelsäcken: In Schottland erlässt mir keiner die Steuern.
Das ist in Irland anders. Die Republik Irland hat ein Gesetz aus dem 19. Jahrhundert (grob geschätzt, weiß es jemand genau?), das allen Künstlern und Schriftstellern erlaubt, steuerfrei im Land zu leben, sofern sie mehr als die Hälfte des Kalenderjahrs dort verbringen.
Ich bin im falschen Land?
Nun. Alles hat seine Zeit im Leben. Irgendwann ist es vielleicht Irland. Aber bis dahin ist es die Nordseeküste und das schottische Hochland. Der zweimal gebrannte Whisky ohne e ist mir ohnehin deutlich lieber und ein wesentlicher Vorteil gegenüber dem dreimal gebrannten Zeugs mit e.
Noch so ein Unterschied. Ein großer.

Von Schafen und anderem Zeugs (Irland reloaded)

In der Konzeptionsphase eines neuen Romans macht man sich nicht nur über den Inhalt Gedanken, sondern fast noch mehr über Perspektive, Aufbau, Struktur. Diese Dinge. Man schwankt zwischen dem Altbewährten (hat schon einige Bücher lang funktioniert, warum also sollte es diesmal nicht auch) und dem Experiment (so von wegen weiterentwickeln und überhaupt).
Auf der Suche danach, was es so alles gibt und wie andere das so machen, stößt man im eigenen Bücherregal gerne auch auf gattungsfremdes Zeug und liest sich fest, weil, Inspiration kann ja von überall, nicht wahr. So geschehen mit Flann O'Brien, den wahrscheinlich wieder viel zu wenige kennen, leider. Großartiger irischer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, großartige Kolumnen hat er geschrieben, großartige Romane außerdem.
"At Swim-Two-Birds" zum Beispiel. Da geht es um Romancharaktere, die mit ihrem Autor nicht zufrieden sind, ihn deshalb unter Drogen setzen, damit er schläft, und das Buch selbst schreiben. Ein Student, der nie seine Kurse besucht, schreibt parallel ein Buch über eben diesen Autor. Sämtliche Figuren sind anderen Romanen entliehen, weil Flann O’Brien der Meinung war, es gäbe schon genug fiktionale Charaktere auf der Welt.
Herrlich.
Oder "The Dalkey Archive", da trifft der Protagonist auf einen gealterten James Joyce, der in irgendeinem Kaff kellnert, bis er bei den Jesuiten aufgenommen wird, und erzählt, dass er keines seiner Bücher selbst geschrieben hat.
Das sind nur Fetzen dessen, worum es in O'Briens Romanen geht. Es geht nämlich außerdem noch viel um Fahrräder, Saufen und Schafe. Und absurde wissenschaftliche Theorien. Und das Leben in Irland. Und den Tod. (Hab ich jetzt alles?)
James Joyce hat "At Swim-Two-Birds" auch mal gelesen und fand es ganz toll. (Joyce fand einige Bücher toll, die auch wirklich toll sind, nur hat das niemanden so richtig interessiert, ausgenommen ein paar Kritiker. Italo Svevos "Zeno Cosini" ist noch ein Beispiel.) Joyce soll darüber gesagt haben: "Hoffentlich merken die Kritiker, was ihnen bei 'Ulysses' entgangen ist: Dass es ein komisches Buch ist."
Moment – "Ulysses" ein komisches Buch? Vielleicht sollte ich noch mal…
Wenn das so weitergeht, werde ich nie mit meinem Kram fertig.
Ihr macht Euch in der Zwischenzeit aber bitte mit Herrn O'Brien bekannt.

Girl Wanted (Irland wieder)

Internetdating ist total überbewertet und im Grunde auch überflüssig. Die sinnlos vorm Bildschirm vergeudeten durchchatteten Nächte, die Illusionen vom Traumpartner, der sich unweigerlich als Vollniete entpuppt, die teils horrenden Anmeldegebühren, all das könnten sich viele Menschen sparen, wüssten sie von den lustigen, einmal im Jahr stattfindenden Matchmaking-Partys in Irland. Nicht überall in Irland, auch nicht einfach nur irgendwo in Irland, sondern in Lisdoonvarna.
Das liegt im County Clare, also mehr so mittig nahe der Westküste, irgendwie zwischen Galway und Limmerick, inmitten des Burren. Der Burren ist eine wunderschöne, sehr steinige Karstlandschaft, ganz prima, wenn man die Nase voll hat von den vielen sanften grünen Hügelchen. Lisdoonvarna hat im Normalfall gut neunhundert Einwohner, eine radioaktive Heilquelle (die einzige in Irland) und fällt in elf von zwölf Monaten gar nicht besonders auf.
Im September allerdings hat vor einigen Jahrzehnten schon der Heiratsmarkt den früher üblichen Viehmarkt abgelöst. Ursprünglich lag die Absicht darin, auch die Söhne, die nicht den Hof erben würden, unter die Haube zu bekommen. Oder die Töchter, denen man keine große Mitgift geben konnte, loszuwerden. Also ganz praktische Überlegungen. Wie halt beim Viehmarkt. Man könnte sagen, eine streng logische Konsequenz.
Mittlerweile ist diese fröhliche Singleparty nicht nur europaweit, sondern auf der ganzen Welt bekannt. Deshalb fallen bis zu fünfzehntausend partnersuchende Singles von überall her ein, saufen sich einen an, füllen irgendwelche "Ich suche…"-Zettelchen aus und quatschen an, wer ihnen gerade vor die Füße stolpert.
Ich hab’s immer gesagt, das mit dem Internetdating, das ist ein Unfug. Man kann das Geld doch viel besser anlegen und in eine Irlandreise investieren. Außerdem ist dieses Matchmaking viel zeitsparender, weil man so direkt an Ort und Stelle die Ware überprüfen kann. Aber auf mich hört ja keiner.
Die Iren hingegen, die wissen einfach, wie man sowas macht. Die sind einfach viel pragmatischer.

Bloomsday (Irland)

Dass die Iren zu feiern verstehen, wissen wir schon. Sie nehmen so ziemlich alles zum Anlass, sich große Mengen Alkohol in den Kopf zu schütten. Geburten, Beerdigungen, Fußballmannschaft hat gewonnen, Fußballmannschaft hat verloren, Mann hat Frau gefunden, Mann hat Frau verloren… Heute haben sie aber einen ganz besonders besonderen Anlass zum Sichzuschütten, heute ist nämlich Bloomsday. Der Tag, an dem James Joyce' "Ulysses" spielt. Am 16. Juni 1904 irrte Leopold Bloom durch Dublin und wurde zur Jahrhundertfigur.
Erstaunlich für so ein feierfreudiges Volk, diesen Tag erst 50 Jahre später zur Feierlichkeit zu erheben. Es brauchte einen Flann O’Brien, der sich 1954 mit einigen Schriftstellerkollegen zusammentat und ein paar Schauplätze abschritt. Das Ganze endete – na? Wie? In einer Sauftour.
Joyce selbst soll 1929 schon so etwas Ähnliches wie eine Bloomsdayparty gemacht haben, allerdings in Paris. Er lud ein paar Freunde, darunter Samuel Beckett, in ein Hotel Leopold ein. Auf dem Heimweg bestand er darauf, an jeder Kneipe zu halten, um weiterzusaufen. Was dem Kutscher irgendwann zu blöd war, weshalb er einfach wegfuhr. Der völlig besoffene Beckett verlief sich auf dem Kneipenklo und fand erst einen Tag später wieder nach Hause.
Ein Bloomsday muss also zwangsläufig in einer Sauftour enden, will man ihn historisch begehen, ob nun in Dublin, in Paris oder anderswo auf der Welt.
Normalerweise beginnt man den Tag in Dublin damit, ein bisschen in "Ulysses" zu lesen. Dem Verständnis des Buches könnte aber förderlich sein, wenn man es erst nach getaner Tour durchblättert. Nüchtern bin ich da nämlich leider immer noch nicht sehr viel weiter gekommen.

PS: Die gute Anobella sagt, sie hätte "Ulysses" verstanden. Fragen zum Buch also bitte schamlos an sie.

Donnerstag, Juni 14, 2007

Sexuelle Energien

1898 starb er, zum heutigen Datum: Der als Lewis Carroll bekannte englische Kinderbuchautor hieß im wirklichen Leben Reverend Charles Lutwidge Dodgson und lehrte Mathematik am Christ Church College in Oxford (nicht Oxford, Ontario oder so was, nein, DAS Oxford). Wir kennen ihn, weil er uns die wunderbare „Alice in Wonderland“ schenkte. Und nun kommt das große Mysterium. Lewis Carroll, oder vielmehr Reverend Dodgson, so sagt die Sekundärliteratur, könnte ein Pädophiler gewesen sein. Der begeisterte Fotograf nahm zum Beispiel gerne kleine nackte Mädchen als Modell. Und damit nicht genug. Als er am Christ Church College einen neuen Dekan bekam, der mit Frau und Kindern Einzug hielt, verbrachte Reverend Dodgson viel, viel Zeit mit ihm und seiner Familie. Besonders viel Zeit allerdings mit dessen Tochter Alice. Der kleinen Alice erzählte er ganz erstaunliche Geschichten über eine Alice, die seltsame Abenteuer erlebte. Und die echte Alice, ich glaube, sie war elf, quengelte so lange, bis Reverend Dodgson einwilligte, die Geschichten zu Papier zu bringen. Handschriftlich und mit Illustrationen versehen.
Im November 1864 schickte er das Manuskript an die kleine Alice.
Und dieser Zeitraum ist es, der die Biographen so beschäftigt. Da fehlen Seiten aus Dodgsons Tagebüchern. Da wird er nicht ordiniert, obwohl es die College-Ordnung so vorsieht und sein Dekan, der Vater der kleinen Alice, ihm mit Rauswurf droht, wenn er nicht spurt. Da willigt der Dekan kurz darauf plötzlich ein, Reverend Dodgson gegen jede Regel nicht zu ordinieren. Dodgson selbst schreibt an manchen Stellen seiner Tagebücher, er sei ein großer Sünder. Der Kontakt zu Alice und ihrer Familie bricht bald ab.
Raum für Spekulationen, oder?
Was also, wenn eines der berühmtesten Kinderbücher von einem Pädophilen stammt? Der Geniales geleistet hat, weil er seine sexuellen Energien nicht ausgelebt, sondern kreativ genutzt hat?
Oh, unser Gewissen…

Mittwoch, Juni 13, 2007

Dorothy und die Abgründe

Heute hätte sie Geburtstag: Die große Dorothy L. Sayers! Aber nein, sie musste ja unbedingt vor fünfzig Jahren sterben. Na ja, ihren 104. hätte sie heute, das wäre dann vielleicht doch ein bisschen viel verlangt.
Man kennt sie als Autorin gut gelaunter Krimis um einen meist noch viel besser gelaunten Lord Peter Wimsey. Man weiß vielleicht auch noch, dass sie, zusammen mit Agatha Christie und ein paar anderen, einen Verein zur Förderung der Kriminalliteratur gründete: den Detection Club. (In diesem Club wurden z.B. Regeln für das Verfassen von Kriminalgeschichten aufgestellt, die dann nur wenig später in schöner Regelmäßigkeit von den Clubmitgliedern selbst gebrochen wurden – ich erinnere nur an "The Murder of Roger Ackroyd" von Agatha Christie…) Und ganz vielleicht denkt man an Dorothy L. Sayers auch als an eine moderne Frau, die für ihre Rechte eintrat, die ein für damalige Zeiten recht ungewöhnliches, ja fortschrittliches Leben führte: Sie studierte in Oxford bis 1916, schloss mit Auszeichnung ab und erhielt, vier Jahre später (!), als eine der ersten Frauen auch das Abschlusszeugnis. Vorher waren Frauen zwar als Hörer zugelassen und durften auch Prüfungen ablegen, ihnen wurden aber keine akademischen Titel verliehen. In diese Zeit fällt übrigens auch das erste Wahlrecht der Frauen in Großbritannien: 1918. Sayers hatte einige Affären, bevor sie heiratete, arbeitete als Werbetexterin, fing währenddessen auch mit dem Krimischreiben an. Wie gesagt, ungewöhnlich.
Was weniger bekannt ist, ist die Sache mit ihrem Sohn. Der entstand aus einer dieser Affären, und der verantwortliche Papa hatte irgendwie keine rechte Lust auf Nachwuchs, also rannte er schneller, als die gute Dorothy das Wort "schwanger" aussprechen konnte. Sie bekam das Kind heimlich – damals gab es Mütterheime für genau diese Fälle, wo man sich in den letzten, kugelrunden Monaten verstecken konnte – und gab es, noch viel heimlicher, in die Obhut einer Cousine, die Pflegekinder aufnahm. Tat so, als sei es das Kind einer Freundin. Beichtete erst später der Cousine, ließ sich aber schwören, dass diese es nie verraten würde. Heiratete dann und nahm das Kind nie zu sich. Dem Kind wurde aber gesagt, "Cousine Dorothy" und ihr Mann hätten es adoptiert und würden deshalb für alle Kosten aufkommen. Doch die Mutterschaft machte Sayers nie publik.
Das ist so ein biografischer Teil, der sich heute schwer akzeptieren lässt, zumal im Licht der Frauenrechtlerin Sayers. Sie verarbeitete ihre eigene Geschichte nach und nach in einigen Wimsey-Romanen und anderen Erzählungen. Nie bitter und düster, eher keck und mit Humor. Ihre Art, mit der Sache fertig zu werden. So viele Schritte weiter als der Rest der Gesellschaft war sie dann eben doch noch nicht.
Was wäre das Leben ohne Abgründe, und vor allem: Wie könnten wir dann noch schreiben?

Dienstag, Juni 12, 2007

Zeugenaussage

Kommissar: „Prima, echt super, wie Sie den Tathergang beschrieben haben!“
HH: „Ja?“
Kommissar: „So Zeugen wie Sie bräuchten wir immer. Ich geb das mal so an die Staatsanwaltschaft weiter, da wird man Sie bestimmt vor Gericht hören wollen.“
HH:„Ach, wie aufregend!“
Kommissar: „Waren Sie schon mal…?“
HH: „Noch nie!“
Kommissar: „Na. Dann schau ich noch mal schnell, ob wir Ihre Personalien auch vollständig… Ah, hier fehlt noch was. Was sind Sie von Beruf?“
HH: „Oh, äh – Autorin, glaub ich, heißt das.“
Kommissar: „Das ist ja interessant. Was schreiben Sie denn so? Doch hoffentlich keine Krimis?“
HH: „Ähm, tja, vielleicht so ein bisschen…?“
Kommissar (schweigt lange. Dann:) „Naja wir haben ja eigentlich schon genug Zeugen. Kann sein, dass wir Sie gar nicht brauchen.“
HH: „Aber… aber…“

Montag, Juni 11, 2007

Berufsberatung

Im Autohaus.

Dramatis Personae:
HH, ohne Auto
Autohaus-Assistentin "AA"
Autohaus-Service-Chef "CHEF"

HH: "Tach, ich wollt mein Auto abholen."
AA: "Haben Sie die Auftragsbestätigung und den Personalausweis?"
HH: "Oh, das musste ich ja noch nie…" (wühlt in Handtasche)
AA: "Na das muss nun mal sein. Stellen Sie sich doch mal vor, was sonst alles passieren kann. Da kommt zufällig so ein Dieb und sieht in einem Auto zufällig was liegen, wo vielleicht der Name so zufällig draufsteht und holt dann das Auto ab, weil das da zufällig gerade fertig ist, verstehen Sie, das wäre doch…"
HH: "Ein großer Zufall?"
AA: "…schlimm! Die sind doch heute so, äh, also was die sich alles ausdenken, diese Diebe! Oder, zum Beispiel, die könnten ja auch hier sitzen und jemanden belauschen, und sich dann einfach so da draußen ein Auto aussuchen, wie es Ihnen gerade gefällt, und keiner merkt's! Oder, was ja auch sein könnte…“
HH: "Meine Güte, Sie haben Ihren Beruf verfehlt, Sie sollten zur Polizei gehen."
AA: "Oder Krimis schreiben!"
HH: "Nicht Ihr Ernst. Würden Sie echt gerne?"
AA: "Ja klar! Aber dazu muss man bestimmt Germanistik studiert haben und das hab ich nicht."
HH: "Muss man nicht."
AA: "Nein?"
CHEF (zu HH): "Tach Frau Heiland, hab Ihr Buch gelesen! War spannend!"
HH: "Äh, danke, ja, schönen Abend noch!"
CHEF (zu AA): "Die Frau schreibt Krimis, müssen Sie auch mal lesen."
AA: "Nein!"
HH: "Doch." (findet Papiere)
AA: "Und was haben Sie studiert?"
HH: "Germanistik. Bringt gar nichts. Wo steht mein Auto?"

Freitag, Juni 08, 2007

Namensgebung

Man sitzt ja teilweise Tage und Wochen über Vor- und Nachnamenbüchern, um seinen Charakteren vernünftige Namen zu geben. Sie sollen passen, und die Figuren sollen glücklich damit sein, und blöd ausgedacht soll es auch nicht klingen. Sprechende Namen kommen gar nicht gut, die sind albern. Man geht also sensibel mit dem Thema um, macht Umfragen, prüft Klang und Herkunft und Bedeutungen...
Und dann bekommt man diesen ARD-Reporter vorgesetzt, live aus Heiligendamm, und er heißt Deppendorf.
Deppendorf! Aus Heiligendamm!
Das ist so schlecht, das kann sich niemand ausdenken.

Donnerstag, Juni 07, 2007

Gute Bekannte (fiktional)

Es ist morgens um acht, als er vorbeikommt, dieser verrückte Kerl, und mich weckt. Rüttelt an meiner Schulter und zieht mir die Decke weg, bis ich ihn nicht mehr ignorieren kann. Hat immerhin eine Flasche Saft dabei, zum Wachwerden für mich. Setzt sich auf die Bettkante, lässt mich ausgähnen und fängt an zu erzählen.
Ich dachte immer, ich kenne ihn ganz genau.
Arrogantes Bürschlein, weiß, dass er gut aussieht, weiß außerdem, wo er hinwill im Leben, weiß noch dazu, dass ihn so leicht nichts und niemand aufhalten wird. Und was erzählt er mir da? Von seinen tiefsten Ängsten und Nöten. Von miesen Dingen, so mies, dass mir schwindlig wird von den Abgründen, in die er mich schauen lässt.
Ich dachte immer, ich kenne ihn ganz genau.
Schließlich hab ich ihn ja erfunden. Er sollte eine zentrale Figur in meinem nächsten Buch sein. Zentral, aber nicht die Hauptfigur.
Er wischt sich noch die Tränen mit einem Zipfel von meiner Bettdecke weg, räuspert sich umständlich, versucht, die Peinlichkeit seines Geständnisses zu überspielen, indem er rasch aufsteht und geradesteht und sich jovial verabschiedet. Lässt mir den Saft immerhin da. Verschwindet, wie er gekommen ist, laut- und spurlos.
Ich befördere ihn zur zweiten Hauptfigur. Seine Geschichte ist einfach zu interessant. Damit lässt es sich gut weiterschlafen.

Mittwoch, Juni 06, 2007

Stadtneurosen

Praxis am Schlachtensee.

"Wissen Sie, bei so einer Therapie ist das so. Sie machen Urlaub, wenn ich Urlaub mache…"
"Äh, ich bin aber viel unterwegs, da kann ich doch nicht einfach meinen Urlaub nach Ihnen… Und überhaupt, Urlaub?"
"Nun gut. Da finden wir eine Lösung. Wie hat das denn Ihr alter Therapeut gemacht?"
"Ich glaube der hatte nie Urlaub. Wir haben die Termine so gelegt, wie’s bei mir gepasst hat und fertig."
"Aaaaaah ja. Gut. Also weiter. Wenn Sie absagen, müssen Sie das achtundvierzig Stunden vorher machen, sonst zahlen Sie privat. Das kennen Sie ja sicher schon."
"Nein, eigentlich nicht."
"Nein??"
"Nein."
"Wie hat das denn Ihr alter Therapeut…?"
"Wenn ich nicht konnte, konnte ich nicht."
"Ah. Verstehe. Nun. Das Wichtigste ist, dass Sie immer genau sagen, was Sie gerade fühlen. Auch, was mich betrifft."
"Das wollen Sie nicht im Ernst, oder?"
"Doch, das ist wichtiger Bestandteil der Therapie. Dass Sie tief in Ihr Innerstes blicken und es rauslassen. Wenn man erstmal soweit ist, dass man ganz ungefiltert sagen kann, was man denkt, braucht man keine Therapie mehr."
"Jetzt echt?"
"Hat Ihnen das Ihr alter Therapeut nicht…"
"Wissen Sie was? Ich kann Sie nicht leiden. Kann ich jetzt gehen?"
"Äh…"
"Gut. Also dann. Das ging ja diesmal schnell."

Das Schreiben, der Alkohol und der Tod im Hotelzimmer, oder: Elysium


(Foto (c) Henrik Jordan)
Brick sagt in Cat on a Hot Tin Roof: "Mendacity is a system that we live in. Liquor is one way out and death's the other." Sein Schöpfer, Tennessee Williams, den dieses Stück samt seiner Verfilmung unsterblich machte, entschied sich zu Lebzeiten dafür, erst einmal den einen, den langsamen Ausweg zu nehmen, der dann im Alter von einundsiebzig Jahren zum anderen Ausweg, dem Tod, führte.
Nicht, wie man meinen möchte, durch eine Leberzirrhose oder andere wenig erfreuliche Begleiterscheinungen, die jahrelanger Alkoholmissbrauch so mit sich bringt. Williams erstickte am Verschluss einer Flasche in seinem Zimmer im New Yorker Hotel Elysée, in dessen Sunset-Suite er fünfzehn Jahre lang nach dem Tod seines Lebensgefährten gewohnt hatte. Die meisten romantisch veranlagten Biografen finden es bemerkenswert, dass er seine Figur Blanche in A Streetcar Named Desire in die Elysian Fields fahren lässt, um dann selbst an einem ähnlich benannten Ort zu sterben. Ich weiß nicht, ist das schon Ironie? Ich bleibe skeptisch.
Jedenfalls hat er ein stolzes Alter erreicht, bis er der zitierten mendacity, der Verlogenheit, endgültig entkam. Bis dahin trank er nicht nur, sondern schrieb auch ununterbrochen. Darüber sagte er sinngemäß, er könne nun einmal nicht anders, ohne das Schreiben fühle er sich tot. Und an anderer Stelle: "Why did I write? Because I found life unsatisfactory." Also hätte er Brick noch eine dritte Möglichkeit neben Alkohol und Tod nennen lassen können. Ist diese doch ohnehin eng mit dem Rest verbunden…

Von Menschen und Zügen (Schottland et al.)


Aussicht von der North Bridge

Im Scotsman

Keine Aussicht von der North Bridge

Gestern brach der Verkehr im Zentrum von Edinburgh zusammen, und die Züge fuhren auch nicht mehr so, wie sie eigentlich sollten. Wofür man in Rostock x-tausend Demonstranten und vergleichbare Mengen Polizisten braucht, das schafft in Schottland eine einzige Frau, die zur Hauptverkehrszeit beschließt, in selbsttötender Absicht auf das Geländer der North Bridge zu klettern. Die North Bridge, muss man dazu sagen, führt über keinen Fluss, sondern über die Eisenbahntrasse, die zur Waverleystation gehört. (Das ist sowas wie der Lehrter Bahnhof. Äh, Hauptbahnhof. Egal.) Sie geht über die - nennen wir es mal unmetaphorisch - Schlucht zwischen Old und New Town.
Diese Frau also suchte sich einen recht beliebten Selbstmordort mit hervorragender Verhinderungsinfrastruktur, bestehend aus Zeugen mit Handys, herbeieilenden Polizisten und sofort bereitstehenden Krankenwagen, aus. Denn wäre sie gesprungen, sie wäre nicht die erste gewesen. Das kennt man schon in Edinburgh. Es haben sich sogar so viele Schotten genau dort hinabgestürzt, dass die Samariter eine Hotline am ehemaligen Hauptgebäude der Zeitung "Scotsman" eingerichtet haben. (Jetzt ein Hotel und vorne ein Restaurant, sehr stylish, Tische mit Blick auf die Brücke kosten extra.) Gegen zwei hatte die Frau keine Lust mehr, sich dauernd von fremden Leuten sagen zu lassen, dass das Leben doch sehr lebenswert sei und man könne doch über alles reden, und kletterte wieder runter. Sowas will man auch nicht als letztes im Leben hören. Dann lieber doch nicht. Oder mal später, vielleicht.
Schienenselbstmorde und solche, die es hätten werden können, begegnen mir blöderweise dauernd in Großbritannien. Zu Schulzeiten fing es an, stundenlang saßen wir im Zug vor Reading fest, weil irgendjemand nicht von den Schienen runterkommen wollte, nein, erst, wenn der Zug über ihn drüber usw.
Die unangefochtene Spitzengeschichte allerdings, zugegeben die einzige mit echtem Unterhaltungswert: In London vor gut zehn Jahren, als West Brompton Tube Station außerplanmäßig geschlossen war – ohnehin ein altersschwaches Ding, das Abends und an den Wochenenden zu war und statt der schicken Ticketkontrollautomaten mies gelaunte lebendige Kontrolleure herumstehen hatte, vielleicht ist es heute anders. Jedenfalls war die Tür verrammelt, und ein handgeschriebener Zettel teilte lakonisch mit: "Due to a person under a train, this station is temporarily closed."
Das muss man sich mal, also so bildlich, ich meine…
Ah, well.

Montag, Juni 04, 2007

Kill Your Idols

Island hat nicht besonders viele Einwohner. Wo sollten die Menschen dort auch leben, bei all dem Eis und den Vulkanen und den vielen kleinen Kobolden und Feen, da bleibt nicht mehr so viel Platz, außer vielleicht für Mythologie. Manchmal gehen Isländer auf Reisen, vor allem, nachdem sie Bands gegründet haben. Dazu nehmen sie gerne ihre Freunde mit, die vielleicht auch Bands gegründet haben. Und unterwegs treffen sie sich mit allen anderen Isländern, die sie irgendwie kennen, Band oder nicht Band.
Eigentlich kennen sie sich alle untereinander, diese Isländer.
So auch beim Amiina-Konzert letztens in Berlin. Amiina ist das Streichquartett von Sigur Rós. Überall Isländer. Die vier streichenden Damen elfengleich auf der Bühne. Schreckhaft und schüchtern wirken sie, wie sie da so zwischen viel zu vielen Instrumenten auf einer viel zu winzigen Bühne herumturnen. Zwischendurch nuscheln sie Unverständliches ganz ganz leise ins Mikro. Sie sehen ehrlich gesagt immer so aus, als hätten sie Angst, jemanden zu stören. Dabei machen sie ganz entzückende Musik, wirklich.
Zusammen mit mir zwei Bekannte, die sich doch sehr, sehr auf dieses Konzert gefreut haben. Bestens informiert sind sie über die einzelnen Musikerinnen. Und auch über sämtliche anwesende Isländer, sofern sie in einer Band spielen. In erster Linie aber über einen, der offenbar eine wichtige Rolle bei Sigur Rós spielt. Oder eben ein Instrument. Ich hätte ihn nicht erkannt, da ich zum einen meistens nicht weiß, wie irgendwelche Musiker aussehen, und selbst wenn ich es wüsste… Diesen Herrn hätte ich niemals erkannt. Ich hätte ihn für ein RAF-Foto gehalten, aber ich bin da auch einfach nicht gut mit so was.
Die beiden Bekannten also in heller Freude, dass er da ist. Kjartan heißt er.
"Ach dann seid Ihr wohl große Fans?"
Kollektives Kopfschütteln. "Nö, naja."
"Kein Autogramm?"
"Auf gar keinen Fall!"
"Also keine großen Fans."
Kurze Pause. Dann der eine: "Ich hab meinen Sohn nach ihm benannt."
"Sag’s ihm, dann freut er sich vielleicht."
Kollektives Kopfschütteln. "Dann ist der Mythos zerstört."
Der Mythos beschließt, sich selbst ins Wanken zu bringen. Er setzt sich neben mich. Die "Wir sind keine Fans"-Fraktion friert komplett ein und bewegt sich erst wieder, als er aufsteht und aufs Klo geht.
"Verdammt ich muss mal", sagt der eine.
"Ja blöd, ich auch!", sagt sein Freund.
"Geht halt", sage ich.
Kollektives Kopfschütteln. "Das geht nicht. ER ist da drin."
"Hoffentlich hört uns keiner zu", sage ich.
"Ach nee, das sind doch alles Isländer", sagt der eine.
Einer der Isländer steht auf und redet auf Deutsch mit der Bedienung hinter der Theke. Dann stellt sich der Mythos zu ihm. Sie unterhalten sich, jetzt wieder auf Isländisch. Der Mythos grinst in unsere Richtung.
Jetzt, jetzt hat er sich selbst zerstört, denke ich, und die beiden neben mir schauen angestrengt in ihre Bierflaschen.

Berlin, Weltstadt usw.

Die Gegend um das Kottbusser Tor ist die Sorte Berlin, vor der uns unsere Eltern immer gewarnt haben, die wir aber immer spannend fanden, SO 36 war Zwangsgutfindenprogramm. Das vergisst man irgendwann, wird mit der Zeit soziophobischer und zieht sich in Dahlemer Villen und Parks zurück, wo einen jeder in Ruhe lässt und bestenfalls die Eichhörnchen für Aufregung sorgen. Bis man sich in Kreuzberg verabredet. Weil, Besuch von anderswo, die wollen ja auch mal Berlin sehen und sind eh gerade, ob ich nicht auch mal dorthin.
Na gut. Dann eben Kreuzberg.
"Wir stehen an der U-Bahnhaltestelle, so schräg gegenüber."
Prima, am Kottbusser Tor so schräg gegenüber. Das hilft ja. Einmal eine viertel Stunde Suchen bei über dreißig Grad und sozialem Brennpunkt.
"Wo kann man denn hier mal son Bier?"
"Keine Ahnung, woher soll ich das denn?"
"Du wohnst doch hier."
"Ich? Hier? Nein."
"Du wohnst nicht mehr in Berlin?"
"Ja aber doch nicht…"
"Dann kennt man sich doch trotzdem aus!"
Klar. In jedem einzelnen Stadtteil. Prima.
"Ich hab mir immer vorgestellt, in Berlin, da ist eine Kneipe an der nächsten!"
Na dann: Oranienstraße. Eine Kneipe an der nächsten. Wir setzen uns vor irgendeinen Laden auf die Straße. Ich will mich entschuldigen, dass es nichts Schöneres zu geben scheint, aber die Besucher sind entzückt.
"Genau so haben wir uns Berlin vorgestellt!"
"Laut und dreckig?"
"So – voller Leben halt!"
"Ah. Ja."
Alle fünf Minuten kommt ein riesiger BMW vorbei (jedes Mal ein anderer, klar), hält mitten auf der Straße oder gegen die Fahrtrichtung geparkt. Der Fahrer (männl., dunkler Typ, viiiiel Schmuck und groooße Armbanduhr) springt aus dem Wagen, lässt den Motor laufen, geht breitbeinig auf einen Tisch mit ähnlich aussehenden Typen zu, legt einem die Hand auf die Schulter, redet schnell und viel, die Hand liegt immer noch auf der Schulter, hört eine Weile zu, nimmt die Hand von der Schulter, macht Handgebrituale mit allen am Tisch, stiefelt zurück zum Auto, breitbeinig, gibt Gas, macht die Tür zu, fährt über die rote Ampel. Jedes Mal.
Mir fällt plötzlich auf, dass hier fast keine Frauen sitzen.
Die Besucher sind immer noch entzückt.
"Ach das ist sooo toll hier!"
Ich denke: Mädchenhandel? Drogen? Ich sage: "Äh, klar, vor allem die Cola, kostet nur einsfuffzich."
"Ja und alles so – wie soll ich sagen…"
"Voller Leben?", sage ich und denke: Waffen? Organhandel???
"Schon bisschen Klischee", sagt einer und schaut dem fünften BMW-Typen hinterher, der mit quietschenden Reifen über die rote Ampel fährt. Ich nicke. Endlich, sie haben verstanden.
"Schon bisschen komisch, oder?", sage ich voller Hoffnung.
"Ja, echt, dass so Typen den X5 IMMER nur in Metallicblau fahren müssen! Der ist viel schöner in ner anderen Farbe! Schon mal in Dunkelgrün gesehen?"
Liegt das an mir? Versteht mich denn niemand da draußen? Oder hab ich berufsbedingt eine verschobene Wahrnehmung?

Figuren und ihr Eigenleben

Dieses viel zitierte, attitüdenhafte Geschwafel von Autoren, ihre Figuren würden beim Schreiben ein Eigenleben entwickeln, überraschende Wege gehen, sich sperren und sträuben und rumzicken… Es stimmt.
Daher muss man manchmal als Autor auf den Tisch hauen. So geht das ja nicht, wer hat sie denn schließlich erfunden, nicht wahr. Ein bisschen Dankbarkeit und Kooperation kann man da erwarten.
Irgendwann nämlich, irgendwann reißt auch dem Geduldigsten der Faden. Nach nächtelangen Quälereien und Diskussionen mit Hauptfigur A, die da jammert wegen Hauptfigur B oder meint, der Autor hätte plötzlich Nebenfigur C viel lieber… Fragen die Figuren einmal den Autor, wie das so ist? Hm? Sich den ganzen Tag mit den Bälgern rumzuplagen? Sie überallhin mitzunehmen? Keine freie Minute mehr für sich zu haben? Monatelang die Nächte durchschreiben zu müssen, und dann stören sie einen auch noch beim Schlafen? Fragt auch nur ein einziger von diesem undankbaren Pack danach? Nein.
Der Showdown kam mir gerade gelegen. Ich war am Ende meiner Kräfte. Und da tat ich es einfach: Ich erschoss – meine Hauptfigur. Legte mich ins Bett. Schlief friedlich zwölf bis vierzehn Stunden und fühlte mich danach richtig großartig. Ging zurück an den Computer, ließ Gnade walten und brachte das arme Dingelchen dann doch lieber ins Krankenhaus.
Ich hoffe, es war ihnen eine Lehre, diesen Figuren, diesen…!

Lesungsauslese, nochmal


„Wie sind Sie eigentlich auf den Namen gekommen?“
„Von dem Protagonisten, oder welchen meinen Sie jetzt?“
„Nee, der, der auf dem Buch steht!“
„Ach der Titel?“
„Nee!!! Ihr Name!“
„Wie ich darauf gekommen bin?“
„Ja so heißt doch kein Mensch.“
„Also ehrlich gesagt, ich heiße so.“
„Das gibt’s doch gar nicht. Das ist doch ein Pseudonym!“
„Doch, doch, wollen Sie meinen Ausweis sehen? Da steht’s drin. Sie haben jetzt nicht im Ernst geglaubt, dass sich irgendjemand Heiland als Künstlername zulegt?“
„Hätt ja sein können…“
„Bestimmt nicht, so größenwahnsinnig bin ich nicht.“
„Und der Vorname?“
„Ist auch mein echter.“
„Wo kommt der her?“
„Von meiner Mama. Die hat ihn sich überlegt.“
„Kommt Ihre Mutter aus Skandinavien?“
„Nein, aus Mittelhessen. Und bevor Sie weiterfragen: Eigentlich sollte ich Ariane heißen, aber dann hat sie gehört, dass die Europarakete so heißen soll. Und im Fernsehen lief gerade Salto Mortale, da hieß die Seiltänzerin Henrike. Das hat ihr gefallen, und jetzt heiße ich so.“
„Sie heißen wie die Seiltänzerin aus dieser miesen 70er-Jahre-Fernsehserie?“
„Na ich konnt mir’s ja schlecht selbst aussuchen.“
„Das ist ja blöd. Haben Sie eigentlich schon mal über ein Pseudonym nachgedacht?

Heiratsmarkt

"Benennen Sie Ihre Charaktere eigentlich nach Leuten, die Sie kennen?"
"Nein, das wäre ja..."
"Wie kommen Sie denn dann auf die Namen?"
"Och, die denk ich mir so..."
"Weil, einer von Ihren Figuren heißt nämlich wie mein Sohn!"
"Ach, das ist ja..."
"Kennen Sie meinen Sohn?"
"Nein, eigentlich..."
"Wollen Sie ihn mal kennenlernen? Der ist so ungefähr Ihr Alter."
"Äh..."

Zur Förderung der Kreativität

Hypochondrie ist ja eine der interessantesten Krankheiten überhaupt. Leider wird sie selten genug als solche akzeptiert, selbst in dem Land mit der höchsten Hypochonderdichte. Das ist übrigens Deutschland.
Hypochonder wie ich kennen es. Irgendetwas tut weh, und der Arzt weigert sich, die befreienden Worte zu sprechen: „Sie haben noch drei Tage.“ Nein, er sagt stattdessen: „Ich kann nichts finden. Haben Sie vielleicht Stress?“ Das mit dem Stress ist die moderne, die einfühlsame Variante, die sich immer weiter verbreitet. Den eingefleischten Hypochonder können sie aber kaum mit solchen Lappalien wie „stressbedingter Funktionsstörung“ abspeisen, diese grobschlächtigen Pschyrembeljünger. Alles, was auf eine Lebenserwartung von mehr als drei Monaten hinweist, kann nur Lüge sein.
Früher einmal war Hypochondrie eine Krankheit, die man als solche akzeptiert hat. Hölderlin zum Beispiel war offiziell diagnostizierter Hypochonder, den ließ man dann auch den Rest seines Lebens in Ruhe in seinem Turmzimmerchen sitzen, wo er sich komplett dem Wahnsinn hingab. Dann folgten Zeiten, in denen sich der Hypochonder völlig sich selbst überlassen war, von Ärzten und Verwandten nur milde belächelt bis harsch zurückgewiesen oder gar verspottet. Heute bemüht man sich aber wieder, sie ernst zu nehmen, die eingebildeten Kranken.
Da es immer mehr Fälle von Arbeitsunfähigkeit gibt, hervorgerufen durch psychische Störungen, hält man in einigen psychiatrischen Krankenhäusern sogar extra Betten für Hypochonder frei.
Doch der Ansatz als solcher ist schon falsch. Ein Hypochonder glaubt nicht daran, dass er von seiner Hypochondrie geheilt werden muss. Sondern von den sonderbaren Krankheiten, die ihn seit Jahren plagen und die nur noch niemand erkannt hat. Warum also Betten in der Psychiatrie? Da gibt’s schließlich keine Chirurgen, wenn man sie braucht, und ob die sich mit dem Ultraschall überhaupt auskennen, diese Psychiater?
Und warum sollte ein Hypochonder überhaupt arbeitsunfähig werden? Wenn man doch glaubt, man habe nur kurze Zeit zu leben, spornt das nicht im Gegenteil an, noch schnell Höchstleistungen zu bringen, auf der Zielgeraden das Beste zu geben, es noch einmal allen zu zeigen?
Hypochonder sollten daher deutlich niedrigere Beiträge zahlen und trotzdem mehr Arztbesuche gewährt bekommen. Arztbesuche, die stets mit dem Hinweis enden: „Schließen Sie noch eben ab, woran Sie gerade arbeiten. Sie haben nicht mehr viel Zeit.“
Besonders im kulturellen Bereich könnte dies immense Vorteile bringen. Plötzlich würden Kunstwerke, Bücher, Theaterstücke, Musikkompositionen beendet, die sonst nie einen Abschluss gefunden hätten. Welche Meisterwerke gehen uns wohl gerade verloren?
Andererseits war ich immer recht froh darüber, dass sich mein Onkel Horst, der gerne die Urlaubsvideos von Lanzarote mit Egerländer Blasmusik nachvertont und dabei aus dem Reiseführer vorliest, noch Zeit lassen wollte mit seinen Memoiren. So gesehen…

Freiberuflicher Notstand

Kreative Freiberufler und Rentner haben so einiges gemeinsam. Sie sitzen den ganzen Tag zu Hause, können zu arbeitnehmerunfreundlichen Zeiten einkaufen gehen und sind für jede Ablenkung dankbar.
Während sich Rentner im Allgemeinen gerne aus ihrer täglichen Routine (u.a. dem Erkennen neuer Krankheiten an sich oder ihrem Hund) reißen lassen, ist es beim Freiberufler eher die Hoffnung auf Inspiration oder, sagen wir’s ehrlich, der Wunsch nach neuerlicher Prokrastination.
Ein Autounfall ist immer ein sehr dankbarer Grund, für eine Weile nicht das zu tun, was man tut. Ein Autounfall in einer ruhigen Wohngegend ist ein besonders dankbarer Grund, denn die äußerlichen Prokrastinationsanreize sind dort ansonsten eher gering.
Die Kreuzung wenige Meter von meinem Haus weg ist eine Ampelkreuzung. Allerdings wird diese Ampel nachts und an hohen Feiertagen nicht betrieben, so auch kürzlich an einem Sonntag. Oft achten die Verkehrsteilnehmer in solchen Fällen auf die Schilder, die man zu ebendiesem Zweck vor den Ampeln anbringt. Ebenso oft achten sie auch nicht darauf, was an dieser Kreuzung mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Konsequenzen hat, denn Polizeikontrollen gibt es hier fast nie, und Kreuzungsverkehr verschwindend selten.
An besagtem Sonntag aber trat der unwahrscheinliche, denn mitnichten unmögliche Fall ein. Es krachte. Es war ein schöner Sonntag, ein sonniger Sonntag, und kaum hatte es gekracht, schon war die gesamte Nachbarschaft auf der Straße. Auch der hart arbeitende Freiberufler ist keineswegs frei von diesem archaischen Drang, Menschenmassen hinterherzurennen. (Man verkauft es hinterher sich und anderen einfach als Charakterstudie und Recherche, als Eintauchen in das wahre Leben.) An besagtem Sonntag also, an dem es gekracht hatte, sah ich zum ersten Mal meine Nachbarn, und der Unfall, der in Wirklichkeit sehr glimpflich abgelaufen war und nur Blechschäden hässlicher Fahrzeuge zu beklagen hatte, der Unfall wurden eingehend diskutiert. Es fehlte einzig noch ein Würstchenverkäufer. Er hätte viel Geld verdienen können. Doch der Höhepunkt war ein alter Mann, der sich in die Diskussion um Verkehrssicherheit einbrachte und sagte: „Das kracht ja hier dauernd. Ich weiß noch ganz genau, fünfundneunzig hatten wir hier auch so einen Unfall.“
Vielleicht wohne ich doch ein bisschen zu ruhig.

Stilfragen

Ungefähr so zum Ende des 18. Jahrhunderts hin begann eine bis heute anhaltende Entwicklung, die in Intellektuellenkreisen unfehlbar für Naserümpfen sorgt: Plötzlich entstand die Trivialliteratur. Jeder, der eine Feder richtig herum halten konnte, kritzelte seine geistigen Ergüsse auf Papier und hielt sie einem Verleger unter die Nase. Vieles davon wurde auch unter das Volk gebracht, denn mit zunehmender Verbesserung des Schulsystems konnten immer mehr Menschen lesen, und diese wollten auch unterhalten werden. Unterhalten. Im Sinne von: nach getaner Arbeit den Geist mit Spannendem, Schwülstigem, Phantastischem, Abenteuerlichem benebeln.
Anspruchsvollen Herren wie Goethe und Schiller passte das natürlich gar nicht.
August Lafontaine, der es auf rund 160 Romane und Novellen brachte, lachte darüber nur und erklärte, schneller zu schreiben, als er zu lesen fähig sei, deshalb könne er sich an viele seiner Romane gar nicht mehr erinnern. (Gut, das geht einigen Schriftstellern so, die führen die Gedächtnislücken aber meist auf irgendwelche Drogen zurück. Schnellschreiben ist eine tolle neue Ausrede, um sich von seinem eigenen Werk zu distanzieren.)
E.T.A. Hoffmann, der erst spät in seinem Leben zur Schriftstellerei fand, liebäugelte ebenfalls mit der gemeinhin als trivial bezeichneten Genreliteratur. Goethe fand ihn unmöglich, natürlich, Jean Paul verzog das Gesicht, Grimm schüttelte den Kopf. Andere wie Poe und Baudelaire hingegen waren begeistert von seinem unbändigen Erfindungsreichtum, seiner Kunst, die Grenzen zwischen Wahn und Realität für den Leser bis zur Unkenntlichkeit zu verwischen.
Ganz so trivial waren seine Werke offenbar wohl nicht, sein Einfluss auf die Nachwelt unbestreitbar, doch die Diskussion um Hoffmanns Qualitäten als Schriftsteller nahm kein Ende. Als nächstes mäkelte man an seinem Stil, vielmehr an dem nicht vorhandenen. Im Versuch, ihn wissenschaftlich zu rehabilitieren, wurde daraufhin die Stillosigkeit als Stilelement angesehen: Hoffmanns Stil läge im intendierten Stilbruch. Kurz: Bis heute wird dem Manne jedes Wort entrissen, von allen Seiten besehen, umgedreht, und wieder vor die Füße geworfen.
Kaum einer schenkt den hartnäckigen Gerüchten Beachtung, dass Hoffmann seine besten Sachen im Rausch schrieb. Nüchtern, munkelt man, schrieb er entsetzlichen Unsinn, besser also, wenn er nicht zu viel darüber nachdachte und einfach mal machte. Nun mag der wie auch immer zugefügte Rausch die Phantasie anregen, dem Stil ist er selten zuträglich. Wir wissen sicher, dass Hoffmann ein gern gesehener Gast bei Lutter und Wegner am Gendarmenmarkt war. Selten blieb es bei Wasser. Eigentlich nie. Und auch schon vor seiner Berliner Zeit war er nicht gerade abstinent. Stellt sich die berechtigte Frage, ob es sich wirklich lohnt, jedes Wort bei ihm zu sezieren, ging es ihm doch mehr um die Geschichte, als um sprachliche Feinheiten.
Und wieder die Frage: Wie wichtig ist Stil bei brillanten Inhalten? Wie wichtig der Inhalt bei brillantem Stil? Und welche Urteilsfähigkeit hat die Gunst der Masse?
Auf der Frankfurter Buchmesse hörte ich einen hier namentlich nicht zu nennenden Programmleiter zu einem ebenfalls anonym bleibenden Kollegen sagen: "Bloß nicht der, der ist doch einer von den Autoren, die beleidigt sind, wenn sie mehr als 500 Bücher verkaufen."

Publikumsbeschimpfung

Jedes Lesungspublikum hat seine Charakteristika und lässt sich grob in vorhersehbare Gruppen einteilen:

- Das perfekt vorbereitete Publikum. Sie haben fast alle das Buch schon gelesen und sich ausführlich Gedanken darüber gemacht, was sie die Autorin fragen wollen. (Schlecht für den Buchverkauf: Einer hat es gekauft und dann an seine Bekannten verliehen, die alle mit zur Lesung kommen.)

- Das Wirhabenschonallesgesehen-Publikum. Durch fast nichts zu begeistern. Eine nahezu konforme Masse an provokant gelangweilten Gesichtern mit verschränkten Armen und bestenfalls ironisch hochgezogenen Augenbrauen. Am Ende herablassender Mitleidsapplaus, man ist aber eigentlich schon auf dem Heimweg und unterhält sich gar nicht mehr über die Lesung. (Auch schlecht für den Buchverkauf: Schließlich hat man schon gnädigerweise zugehört, das muss reichen.)

- Das Heimspielpublikum. Schulkameraden, die man nie mehr wieder sehen wollte. Nachbarn, die einen plötzlich Siezen. Verwandtschaft, die nicht weiß, ob sie zugeben soll, dass sie denselben Nachnamen hat. Irgendwelche Menschen, die man noch nie gesehen hat, die aber behaupten, man kenne sich schon seit 30 Jahren, wenn nicht sogar. Neugier treibt sie alle in den Buchladen, und die Fragen, die im Anschluss gestellt werden, haben wenig mit dem Buch zu tun. „Du hast ja schon als Kind immer…“ Oder: „Kennst Du noch den Soundso, da soll ich Dich grüßen.“ Erzeugt bei der Autorin Paranoia wegen der Möglichkeit unvorhersehbarer Peinlichkeiten. (Hervorragend für den Buchverkauf, auch wenn vermutlich kaum jemand das Buch letztlich lesen wird.)

- Das Höflichkeitspublikum. Keiner kommt, bis auf fünf Leute, die aussehen, als hätten sie sich verlaufen. Unangenehm für alle, verkürzt die Lesezeit oft auf 10 Minuten. (Schlecht für den Buchverkauf. Ist ja keiner da, wer soll denn dann.)

- Das Siegerpublikum. Vor der Tür beschimpfen sich Menschen, weil sie aus unerfindlichen Gründen noch einen Platz haben wollen, obwohl es ausverkauft ist. Wer reinkommt, ist erhitzt und aufgekratzt. Die Autorin kann nur hoffen, dass sich die latent aggressive Kampfesstimmung nicht negativ auf sie überträgt. (Klasse für den Buchverkauf: Das signierte Buch wird als Trophäe herausgeschleppt, oft auch zwei- oder dreifach zum Verschenken.)

- Das schweigende Publikum. Findet sich gerne in Regionen, die dafür bekannt sind, dass die Einwohner eher zurückhaltender Natur sind. Sie wissen nicht, wann sie klatschen sollen, oder ob überhaupt, es könnte ja unpassend sein. Sie sagen keinen Ton, weil sie sowieso nicht viele Worte machen. Sie hören zu, gehen nach Hause, und irgendwann in den nächsten Tagen denken sie darüber nach, ob sie nicht vielleicht doch mal das Buch kaufen. (In jeder Hinsicht total unberechenbar.)

Mit dieser Analyse im Hinterkopf sollte selbst der bekennend soziophoben Autorin klar sein: So eine Lesung kann nur super bis katastrophal laufen. Oder irgendwas dazwischen.

Lesereisenauslese

Unmittelbar vor der Lesung. HH schüttet sich Wasser ein. Zwei Damen in der ersten Reihe tuscheln hörbar.
HH: "Spekulieren Sie etwa gerade, ob das Gin oder Wodka ist? Das ist Wasser."
Frau: "Nee, nee, gar nicht."
Das Getuschel geht weiter.
HH: "Sie können gerne probieren!"
Frau: "Nee, nee!“ Und dann leise: „Das ist doch bestimmt kein Wasser, die trinken doch alle immer soviel."
Gekicher.

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Erhitzte Publikumsdiskussion:
Mann 1, schlecht gelaunt: "Da kommt aber doch jetzt keiner mehr nach Rostock, die denken doch alle, hier geht’s sonst wie zu!"
Mann 2, echauffiert: "Ach so ein Blödsinn! Da muss man doch Bustouren durch die Stadt organisieren, das machen die doch bei dem Mankell auch! Reden Sie mal mit dem Rostock-Marketing! Da muss doch was gehen!"
HH: "Auf Heilands Spuren oder so was?"
Frau: "Ja, das wär doch toll!"
HH: "Das könnte man jetzt aber auch missverstehen."

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Beim Radiointerview:
Journalist: "Frau Heiland, wie sehen Sie das, denken Sie, dass Ost und West irgendwann einmal zusammenwachsen? Wird es überhaupt so etwas wie ein Deutschlandgefühl geben können?"
HH (geistesabwesend): "…Äh… Wie hieß noch mal der Typ, der nach der WM nach Israel auswandern wollte?"
Journalist: "Ich weiß nicht? Wen meinen Sie?"
HH: "…Äh… Sie können doch schneiden, oder? Ich bin ein Sieb."
Journalist macht das Aufnahmegerät aus.
HH: "Maxim Biller. Jetzt hab ich’s."
Journalist macht das Gerät wieder an.
HH: "…Äh… Ich weiß nicht mehr, was ich sagen wollte…"

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HH: "Was soll ich denn reinschreiben?"
Frau zuckt die Schultern.
HH: "Wie heißen Sie denn?"
Frau: "Wer, ich? Wieso?"
HH: "Na, dann könnte ich Ihren Namen als Widmung reinschreiben. Das wollen die meisten Leute so."
Frau: "Nee, schreiben Sie mal einfach nur Ihren Namen. Das ist neutraler."
HH: "Ach so. Dann können Sie’s besser verschenken, wenn es Ihnen nicht gefällt."
Frau: "Nee, das kriegt doch mein Mann. Der braucht keine Widmung."

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Frau: "Also was in so einem Frauenhirn alles vor sich geht! Sie sind ja brutal!"
HH: "Und Sie haben laut gejauchzt, als ich’s vorgelesen hab. Das hab ich genau gesehen!"

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Frau: "Das schenk ich meinem Mann. Der liest ja so was."
Buchhändlerin: "Das würd ich mir gut überlegen, wo hab ich das letztens gehört? Da hat jemand gesagt: An Scheidung hab ich nie gedacht, aber an Mord schon oft."
Frau: "Das könnte ich gewesen sein."
Lautes Gelächter unter den Frauen.

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Mann 1: "Ich find das ja toll, dass Ihre Stimme so lange durchhält, hatten Sie mal Sprechtraining?"
HH: "Ja, ich kann stundenlang reden, ohne heiser zu werden."
Mann 2: "Das kenn ich von meiner Frau. Die kann das aber ohne Sprechtraining."

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Vor der Lesung. Der Buchhändler macht ein diskretes Gesicht.
Buchhändler: "Verstehen Sie mich nicht falsch, wenn ich Sie das jetzt so frage, aber brauchen Sie nicht noch etwas... Bestimmtes?"
HH: "Äh, nee? Was denn?"
Buchhändler (räuspert sich): "Naja... Andere Kollegen wollen ja manchmal... Also ich frag das nur, weil... Vielleicht wollen Sie ja - Alkohol??"
HH: "Hm. Stilles Wasser?"
Buchhändler (aufmunternd): "Sie können's mir ruhig sagen. Na?"
HH: "Äh... Ne Cola? Light?"
Buchhändler (enttäuscht): "Oh. Na, das bekommen wir auch irgendwie hin."

Unter Freunden

Dramatis Personae:
Putzfrau (Anfang 20, vollschlank - sagt man doch so, oder?, bayerischer Akzent)
HH (auf der Suche nach Frühstück)
Freundin von HH (auf der Suche nach ihrer Putzfrau)

Villa in Starnberg. Putzfrau steht mit verschränkten Armen seufzend in der Küche, an den Kühlschrank gelehnt, und sieht aus dem Fenster.

„Oh, guten Morgen… Ich bin hier zu Besuch… Wo ist denn…?“
„Beim Tennis. Jaja.“ (Seufzt.)
„Ah, ok. Gut. Ich würd mir gern was zum Frühstück machen, stört Sie das beim – äh – Sie arbeiten hier doch, oder?“
„Jaja.“ (Seufzt.)
„Also ich mach mir dann mal ein Brot oder so was… Oder wollten Sie hier gerade saubermachen?“
„Neinnein.“ (Seufzt.)
„Gut. Ich mach dann mal.“
„Ich hab ein Problem.“
„Oh? Soll ich lieber später in die Küche…?“
„Ich glaub ich bin schwanger.“
„Äh… Herzlichen Glückwunsch?“
„Nee, das ist alles nicht so einfach.“
„Nein? Wissen Sie nicht…“
„Wer der Vater ist?“
„Das wollte ich gar nicht fragen, aber wenn Sie’s schon ansprechen – wissen Sie’s?“
„Dochdoch. Wir hatten ja schließlich vor drei Tagen was miteinander.“
„Vor drei… Aber dann können Sie doch noch nicht wissen, ob Sie schwanger sind?“
„Naja, vor vier und vor fünf Tagen hatten wir auch. Und wir haben ja nicht… Also ich nehm keine Pille und er hat ne Gummiallergie.“
„Eine Gummiallergie??? Ja klar. Also ich meine – klar! Der – äh – Ärmste. Aber dann müssen Sie halt zwei Wochen warten und machen nen Test, oder wie ist das? Entschuldigung, ich brauch mal eben die Butter… Danke.“
„Ja, aber der ist doch dann wieder weg. Der ist doch Berufssoldat, und als wir über Kinder und Heiraten gesprochen haben, hat er gesagt, er hat ja schon zwei Kinder und war auch mal verheiratet.“
„Aha. Wie lange sind Sie denn schon zusammen?“
„Hm, Moment… (Zählt an den Fingern ab.) Fünf Tage!“
„Fünf Tage!!!“
„Ja.“
„Und Sie haben schon über Kinder und Heiraten gesprochen!?“
„Ja klar!“
„Und er hat ne Gummiallergie.“
„Na nicht so richtig. Er hat Zucker und muss Insulin spritzen und deshalb hat er so Probleme mit seinem… Sie wissen schon. Und die werden mit so nem Ding schlimmer, deshalb geht das nicht.“
„Aaaaaah. Er hat Diabetes und ist, was, Berufssoldat? Ich brauch mal das Messer da… Danke. Wo muss er denn hin, wenn er jetzt erstmal weg ist? Irgendwo anders in Deutschland?“
„Nee, in den Irak, da ist doch Krieg. Und dann nach Afghanistan.“
„Mit Diabetes?!?“
„Jaja, er hat sich nämlich freiwillig gemeldet. Der kämpft ganz vorne mit und weiß nicht, ob er wieder zurückkommt, deshalb haben wir ja auch gleich…“
„Moment, ist das vielleicht ein amerikanischer Soldat?“
„Nein, ich glaub nicht.“
„Sie glauben… Na gut. Und Sie sind aber jetzt richtig mit dem – äh – zusammen oder wie?“
„Ich denk schon. Obwohl ich nicht zu ihm nach Hause darf.“
„Sie dürfen nicht…?“
„Nur, wenn ich vorher anrufe. Er hat gesagt, ich darf nicht einfach so vorbeikommen, und außerdem hat er keine Klingel. Die ist kaputt, und deshalb macht er nicht auf.“
„Aaaaaah.“
„Aber ich war trotzdem mal da, und da war gar kein Türschild und nichts, und er hat mich dann auch mal reingelassen, und in der Wohnung war auch nichts, nur ne Matratze.“
„Aaaaaaah.“
„Ich glaube, da stimmt was nicht mit dem!“
„Ehrlich gesagt, das glaub ich auch. Sekunde, dürft ich mal eben die Marmelade…“
„Mein Papa hat auch gesagt, da stimmt was nicht.“
„Sie haben Ihrem Vater davon erzählt?“
„Ja klar! Er hat gesagt, der Typ ist nicht gut für mich. Aber ich liebe ihn nun mal.“
„Fünf Tage, ja?“
„Er ist doch bald wieder im Irak!“
„Wissen Sie was, hören Sie auf Ihren Vater.“
„Und wenn ich schwanger bin?“
„Warten Sie’s doch erstmal ab. Dann können Sie immer noch drüber nachdenken.“
„Also erst hat er gesagt, Kinder findet er prima und er würde mich heiraten, und hinterher hat er gesagt, hoffentlich bin ich nicht schwanger geworden, er braucht keine Kinder mehr!“
„Vergessen Sie ihn.“
„Meinen Sie?“
„Ja. Ist noch was von dem Saft da? Danke.“
„Aber ich bin so durcheinander, ich kann gar nicht arbeiten!“
„Hab ich gemerkt. Also, dass Sie durcheinander sind, meine ich.“
„Ich glaub ich fahr mal zu seiner Wohnung und beobachte ihn.“
„Äh, sind Sie denn hier schon fertig? Ich meine…“
„Ich kann jetzt nicht. Ich bin doch außerdem schwanger.“ (Geht.)

10 Minuten später. Die Freundin kommt vom Tennis.
„Wo ist denn meine Putzfrau?“
„Stalkt den Typen, von dem sie vielleicht schwanger ist. Warum?“
„Eigentlich hat die hier heute nen ganzen Tag zu tun…“
„Du weißt, dass sie wahnsinnig ist?“
„Klar.“
„Hat sie so was öfter, also, dass sie von irgendwelchen Typen…“
„Ständig. Wer ist es diesmal?“
„Berufssoldat, der in den Irak muss, obwohl er Diabetiker ist.“
(Freundin verdreht die Augen, sagt:) „Hat sie gemerkt, dass da was faul ist?“
„Glaube, sie hat so eine leise Ahnung.“
„Immerhin. Bei dem Millionär, der sie immer in seinem klapprigen alten Golf abgeholt hat, weil er sich vor den Ölscheichs verstecken musste, die ihn umbringen wollten, hat es etwas länger gedauert.“
„Wo findet sie solche Typen? Das ist ja großartig.“
„Keine Ahnung. Ist noch was von dem Saft da?“

Freiberufliches Tun, noch mal

Aldi-Kasse Zehlendorf

Dramatis personae:
Er (Rentner, Ende sechzig)
Sie (Rentnerin, Ende sechzig)
Henrike (reichlich genervt)
Kassierer (mag keine Pralinen)

Der Kassierer kassiert. Das Ehepaar steht hinter Henrike. Henrike räumt ihre Sachen auf das Band.

Er: „Dit is so leer heute.“
Sie: „Na, is doch Monatsende, da ham die Leute kein Geld mehr.“
Er: „Nee, dit is doch schon der erste, is da nich Geld aufm Konto?“
Sie: „Vielleicht kommt das immer erst in der Mitte?“
Er: „Jedenfalls, dit is so leer heute. Vielleicht ham die alle schon eingekauft.“
Sie: „Na vor uns, die junge Frau, die kauft doch was.“
Er: „Na, die wird Hausfrau sein.“
Sie: „Nee, kuck doch mal was die kauft. Die is nich verheiratet.“
Er: „Muss ja nich verheiratet sein, um Kinder zu haben.“
Sie: „Die hat auch keine Kinder, kuck doch mal was die kauft!“
Er: „Ach so. Na, vielleicht isse arbeitslos.“
Sie: „Ja das kann sein. In dem Alter kann man aber doch arbeiten gehen.“
Er: „Die sind doch heute alle arbeitslos.“
Sie: „Die studiern ja auch so lange.“
Er: „Vielleicht studiert die noch.“
Sie: „Nee, hier wohnen doch keine Studenten.“
Er: „Aber die Uni is doch gleich da oben.“
Sie: „Ach so. Meinste, die studiert noch?“
Er: „Weiß ich nicht. Kuck mal, die hat nen Autoschlüssel. Da studiert die nicht.“
Sie: „Die is bestimmt arbeitslos. Ich hol noch mal von dem Weichspüler.“
Er: „Aber wenn die arbeitslos is, wie kann die sich denn son Auto leisten?“
Sie: „Die Arbeitslosen, die ham heute mehr als wir mit unserer Rente.“
Er: „Die ham doch wieder so viele eingestellt, hab ich gestern im Fernsehen gesehen.“
Sie: „Vielleicht arbeitet sie ja auch Schicht oder so was.“
Henrike: „Sie wissen schon, dass ich Sie hören kann?“
Sie: „Ich hol noch mal Eier.“
Er: „Na, man kann ja mal so… theoretisch…“
Henrike: „Ich geh immer einkaufen, wenn meine Putzfrau da ist.“
Er: „Oh… Du, die hat ne Putzfrau.“
Sie: „So was können wir uns ja nich leisten.“
Er: „Dann ist die bestimmt nich arbeitslos.“
Henrike: „Ich kann Sie immer noch hören!“
Kassierer: „Achtzehnfünfundneunzig. Kann mal jemand die Pralinen hier wegräumen von der Kollegin, das is voll eklig, die liegen immer noch an der Kasse!“
Er: „Sagen Sie, ist das um die Zeit immer so leer bei Ihnen?“

Freiberufliche Alltäglichkeiten


(Foto (c) Henrik Jordan)
4:30 Arbeitsende. Schlafen gehen.
9:00 Telefon. Wer weiß nicht, dass ich nachts arbeite? Papa.
9:14 „The Lighthouse“ von P.D. James lesen, in den vergangenen Tagen ein Garant für sofortiges Einschlafen. S. 350.
9:59 Wider Erwarten wurde „The Lighthouse“ auf S. 351 spannend. Kein Schlaf, dafür Buch fertig.
10:00 Wohlgemuter Gang zur Badewanne endet im Frust. Warmwasser ist abgestellt.
10:02 Vermieterin entschuldigt sich: „Wir hatten einen Rohrbruch heute morgen. Ich dachte, Sie schlafen immer bis 12, da hab ich Sie nicht angerufen…“
10:03 Mittagstermin verschieben (da hat man EINMAL einen Termin…)
10:05 Überraschungseffekt ausnutzen und verblüffte Produzenten auf Zahlungsrückstände aufmerksam machen. („Was denn, Du um diese Zeit? Da schläfst Du doch noch?“)
10:30 Agentin anrufen, um sie vollzuheulen. Agentin nicht da. Die Assistentin sagt: „Schlafen Sie nicht jetzt normalerweise noch?“
10:31 Schlechte Laune.