Samstag, September 01, 2007

Kafka zu Besuch

Ein Blick in die Nutzungsstatistik der eigenen Homepage ist manchmal Anlass zur Verwunderung: bundestag.de zum Beispiel. Was macht ein Mitglied des Bundestags auf meiner Seite? Handelt es sich um heimliche Krimileser mit Urlaubsziel Ostsee, die während einer langweiligen Debatte mal schnell auf meinen Leseproben rumsurfen? Oder, vermutlich wahrscheinlicher, hat jemand den Praktikanten nach „RAF“ und „Andreas Baader“ googeln lassen? Ich sollte vorsichtiger mit meinen Themen sein… Jedenfalls, gerade in Zeiten des Bundestrojaners machen einen bestimmte Adressen nicht sonderlich glücklich. Und wenn man dann – so als Freiberufler, mit der dauerhaften Panik im Nacken, wo denn das nächste Geld herkommt – auch noch sieht, dass sich jemand von arbeitsamt.de auf der Seite herumgetrieben hat… Verdammt, das Arbeitsamt??? Was wollen die von mir? Bin ich arbeitslos und weiß nichts davon? Will man mir einen Azubi andrehen? Oder mich, mal wieder, als technische Übersetzerin weitervermitteln, obwohl ich gar nicht arbeitslos gemeldet bin, in dieser Profession schon gleich dreimal nicht?
Das Arbeitsamt birgt Grauen und Unsicherheit. Es ist ein undurchdringliches Geflecht an unlogischen Entscheidungen und unvorhersehbaren Ereignissen. Ich schrecke noch heute im Schlaf nach dem Arbeitsamtalbtraum hoch, und es ist immer wieder derselbe: Januar, es schneit, die Straßen sind so grau und trostlos wie die Gänge der Behörde. Ich bin auf dem Weg zu einem Dreh.
„Frau Heiland, Krüger hier vom Arbeitsamt München, Sie können dann im August zur Schulung kommen.“
„Was für eine Schulung?“
„Das ist eine Schulung zum Thema wie man sich richtig bewirbt. Die ist im August für Ihren Bereich.“
„Was für ein Bereich??“
„Akademiker… Moment… Naturwissenschaftler. Genau.“
„Ich BIN kein Naturwissenschaftler!“
„Aber hier steht doch: Forschungsstipendium. In Ihrem Lebenslauf.“
„Ja, für Literaturwissenschaften! Das ist ein bisschen was anderes.“
„Und warum sind Sie dann in diesem Bereich gemeldet?“
„Ich bin gar nicht gemeldet! Ich bin grad auf dem Weg zur Arbeit!“
„Das kann nicht sein. Hier steht’s. Ihr Name und Ihre Telefonnummer. Bei mir sind Sie als arbeitsloser Naturwissenschaftler, gemeldet im Bereich 27.“
„Nein!!! Das kann nicht sein, ich bin doch… Ich hab doch…“
Aha. Und da kommt dann die Stelle, an der ich aufwache! Man weiß ja nie! Plötzlich, über Nacht, was da so alles, nicht wahr.
Gestern waren sie wieder auf meiner Seite, die grauen Menschen vom Arbeitsamt. Wer weiß, was Sie sich diesmal ausdenken. Eine Fortbildung für Elektroingenieure? Wo es Ihnen doch egal ist, ob ich gemeldet bin oder nicht, und was ich kann oder nicht.
Vielleicht aber, und das ist meine einzige Hoffnung an diesem Tag, vielleicht vertreibt sich nur ein Sachbearbeiter seine Zeit an so einem Freitagvormittag, während die Zahnarzthelferinnen mit den Nummern in der Hand auf dem Flur auf ihre Umschulung zur 3-D-Graphikerin warten.

1 Kommentar:

albertsen hat gesagt…

Ein Freund von mir hat gerade gekündigt, um sich selbstständig zu machen. Er hat noch zwei Wochen auf seiner alten Arbeitsstelle zu arbeiten, aber geht schon einmal zum Arbeitsamt, weil er gerne eine Förderung beantragen möchte.

"Ah", sagte die Arbeitsagenturangestellte (AAA), "sie sind ja schon arbeitssuchend. Seit zwei Monaten."

Freund: "Wie jetzt? Ich habe doch gerade erst gekündigt."

AAA (tippt auf der Tastatur:) "Ja... weiß ich auch nicht... waren sie schon mal hier."

Freund: "Ja, zu einer Beratung."

AAA: "Ah, das ist es. Wir können Ihnen keine Beratung in diesem System freischalten, ohne Sie arbeitssuchend zu melden."

Freund: "Aber zu dem Zeitpunkt war ich doch nicht angestellt."

AAA: "Das ist egal. So funktioniert unser System nunmal."