Samstag, September 27, 2008

Der Baader-Meinhof-Komplex

Gestern sah ich ihn, und die Verfilmung von Eichinger/Edel ließ mich enttäuscht nach Hause trotten. Ich sah ihn im Kino von Blankenese, das bis auf den letzten Platz vollbesetzt war. Es mussten sogar Zusehenswillige nach Hause geschickt werden, so etwas sieht man selten in Blankenese, und ich bin mir nicht sicher, wieviel der Umstand, dass Ulrike Meinhof eine Weile in Blankenese gewohnt hat, damit zu tun hatte. Aber egal. Darum geht es nicht. Es geht um den Film.
Eichinger hat selbst für die winzigsten Nebenrollen bekannte Schauspieler vor die Kamera geschleppt (ich vermeide den sonst gerne gebrauchten Terminus "Staraufgebot", weil ich nicht der Meinung bin, dass Schauspieler, nur weil man sie dauernd irgendwo sieht, gleich "Stars" sind), und ich kann mir das nur so erklären: Wären es Unbekannte gewesen, hätte man sich gar nichts mehr merken können. Der Film ist mit historischen Details und Fakten natürlich überfrachtet. Die "ganze Geschichte" erzählen zu wollen, und dann auch noch gleich auf eine nie dagewesene, endlich ehrliche, nicht verherrlichende Weise - da hat man sich was vorgenommen und mächtig in den Sand gesetzt.
Aus verschiedenen Gründen: Einmal aus filmischer Sicht. Ok, die Prügelszenen, das sieht alles schon sehr gut aus, aber es ist langweilige Fernsehdramaturgie mit einer braven Fernsehkamera. Nächstens vielleicht mehr Geld in Innovation statt in drei Sekunden Alexandra Maria Lara stecken.
Dann: die Schauspieler. Man kennt das aus Hollywood, da schlüpfen die Schauspieler, die gut sind, wirklich in ihre Rollen, und zwar so, dass man sie ihnen abnimmt. Wandlungsfähig, nennt man das, oder Charakterdarsteller, mir fällt natürlich Philip Seymour Hoffman ein. Ein Gegenbeispiel ist, sagen wir, Tom Cruise, der spielt sich selbst, sogar als Stauffenberg ist er nur Tom Cruise, der versucht, Stauffenberg zu spielen. Ähnlich ist es mit Martina Gedeck, die Ulrike Meinhof spielen soll und dabei herumhuscht wie Martina Gedeck, die Ulrike Meinhof spielen soll.
Sehr gut hingegen Johanna Wokalek, die kam als Ensslin richtig gut rüber. Wunderbar auch: Bruno Ganz. Der weiß, wie man seinen Job macht. Es gibt sehr viele gute Schauspieler in Deutschland, die Starstatus verdient hätten. Aber nur wenige der ganz arg bekannten Mimen gehören dazu.
Ah, und: Warum man Moritz Bleibtreu als coole Sau inszeniert, wenn man keinen RAF-verherrlichenden Film machen will, verstand ich nicht. Bleibtreu als Baader, da werden jetzt viele verwirrte Jugendliche ein neues Idol haben. Klar hat er sich hier und da blamiert, dummes Zeug geblökt, solche Sachen, aber er blieb die coole Sau mit der coolen Freundin. Und wir wissen alle, dass ein bisschen Dummheit noch nie dem Vorbildstatus geschadet hätte. Baader also als lauter, testosteroniger Macho mit viel Power und wenig Hirn - aha.
Zum Inhalt: Vorher hörte ich im Radio auf einem dieser quietschenden Sender, die mehr Werbejingles als Musik spielen und deren Moderatoren im Schnitt 18 sind, dass man für diesen Film eine intensive Vorbereitung brauche. Ich halte das, was man da sieht, für passives Allgemeinwissen, aber ja, wahrscheinlich haben sie Recht im Radio, gerade die, die vor einer Verherrlichung der RAF bewahrt werden sollen, wissen nicht sehr viel über diese Zeit. Und ohne Vorwissen geht man komplett unter.
Namen, Fakten, Bilder, die man nur einordnen kann, wenn man die Geschichte der RAF kennt. "Nebenfiguren" wie Horst Mahler kann man sonst in ihrer Tragweite gar nicht begreifen. Und da sich die Produktion auf hölzerne Klischees bei den Figuren verlässt und auf jede Figurenpsychologie komplett verzichtet, kann man eigentlich mit niemandem so wirklich etwas anfangen. (Kein Wunder, dass die Darsteller häufig scheitern mussten.) Schachfiguren haben mehr Innenleben. Das kurze Zeigen des Familienlebens von Meinhof und Ensslin reicht natürlich nicht.
Eine echte Dokumentation wäre besser gewesen. So war es weder ein guter Film, der neue Wege geht und cineastische Maßstäbe setzt, noch ein brauchbarer Beitrag zur Zeitgeschichte. Eigentlich war es nichts, vielleicht rausgeworfenes Geld. Aber: Wahrscheinlich regnet es Filmpreise dafür, es ist ja immer so.: Wenn man viele bekannte Schauspieler (anstelle von "Stars", also welche, die es echt können) reinpackt und schwierige Themen bedient, dann muss man das ja nicht gut machen, sondern einfach nur machen.

6 Kommentare:

albertsen hat gesagt…

Sowas in der Art habe ich mir schon gedacht. Dabei ist das Buch wirklich großartig, sehr differenziert. Und wenn man einen Film sehen darüber sehen will, wir irre Terroristen sind, dann sehe man sich Petzolds "Die innere Sicherheit" an.

Henrike hat gesagt…

e-ben.
*nickt
das buch sollte man lieber mal in der schule lesen und besprechen als kleist und storm. sowas interessiert die kids wenigstens.

Anonym hat gesagt…

es ist doch peinlich, im jahr 30 der RAF das thema RAF in die kinos zu bringen. manchmal habe ich den eindruck, dass deutschland stolz ist, die RAF *trotz allem* gehabt zu haben. wir sind doch nicht die bürokratischen langweiler, für die uns alle immer gehalten haben. wir hatten leute, die kaufhäuser angezündet haben. IRA, ETA, Brigade rosse (oder wie die heißen), die PLO - und dazwischen WIR. ein hoch auf die RAF!


moritz bleibtreu als andreas baader. das ist lachhaft.

Anonym hat gesagt…

Moinsen,
um mal was ernsthaftes in den Kommentaren dieses Blogs zu schreiben:
Ich wäre ja mal wirklich Interessiert an einer Dokumentation des Einflusses, den der Staat auf die Radikalisierung und Militarisierung der Linken damals hatte. Wer Aust gelesen hat kennt auch Peter Urbach. Diesen als "Polizeispitzel" zu beschreiben, kommt wohl wesentlich zu kurz.

Spitzel übertragen Informationen vom Bespitzelten zum Auftraggeber. Der hier übertrug Waffen und Sprengstoff von, tja wem eigentlich?, zu einem Haufen, tja, was eigentlich, bevor es mit dem Terrorismus los ging?

Wer die gerichtlich aufgearbeiteten Geschehnisse um die Roten Brigarden, die Loge P2 und die Nato-Gruppen namens Gladio in Italien kennt, ordnet den Einsatz vielleicht anders ein, als als Ermittlungsmethode des Staatsschutz. Als weitere Google-Grundlage mag hier "Strategie der Spannung" dienen.

Bis denn dann,
Chris

Anonym hat gesagt…

Hm, wieso mussten denn Zusehwillige nach Hause geschickt werden? Zumindest ein Platz wäre doch noch frei gewesen, wenn das Kino lediglich "bis auf den letzten Platz" vollbesetzt war...

;-)

Henrike hat gesagt…

das ist doch ganz einfach: sie kamen bündelweise und wollten nicht zerrupft werden. also gingen sie wieder und ich (in der zweiten reihe) hatte freie sicht auf die leinwand. es war also gewissermaßen ausgesprochen praktisch.