Jetzt mal im Ernst. Man muss sich das so vorstellen: Eine Weinprobe im exklusivsten Hotel Hamburgs. Selbiges liegt malerisch an der Elbe, und man hat irgendwie gar keine rechte Ahnung, wie man da überhaupt so reingeraten ist. Vermutlich wurde einem die Weinprobe zu einem Anlass, den man längst wieder vergessen hat, geschenkt.
Jedenfalls steht man da nun, zwischen lauter teuren Anzügen im, wie man so sagt, besten Alter (das, in dem Frauen als unansehnliche alte Schachteln gelten). Die stehen also da und warten, dass es losgeht, machen sich untereinander bekannt, wie das Männer eben so tun: Sie messen Schwanzlängen. Ab einer gewissen Einkommensklasse verläuft das deutlich subtiler als auf dem Oktoberfest. Hier definiert man sich über Namedropping, Andeutungen, wann man wo mit wem was gesprochen hat und wen man wann wie zu Gast hatte oder umgekehrt, und klar, mit dem Privatjet letztens. Über sowas reden wir hier.
Und dann sagt der Mann neben einem, also er spricht einen direkt an, weil er wissen will, mit wem er es hier zu tun hat, ob sich da nicht vielleicht die Praktikantin verlaufen hat, jedenfalls sagt der Mann neben einem, während er auf die Elbe blickt:
Ist doch immer wieder schön, diese Aussicht, das denke ich jeden Morgen, wenn ich aus dem Schlafzimmerfenster sehe. Sie wird einem nicht langweilig.
Sagt er so, und es ist klar, was das impliziert. Ganz sicher hat man keine Lust, ihm zu sagen, dass man auf deutlich weniger Quadratmetern als er, und dann auch noch ohne Elbblick (Schande!), nein, das muss nicht sein. Unweigerlich fragt er:
Finden Sie nicht auch?
Ganz ehrlich. Darauf gibt es nur eine Antwort, die einen Hamburger deprimiert. Da kann man nicht mit Alsterblick oder Ichwohnamstarnbergersee oder Meinevillaimgrunewald. Das ist alles Dreck. Einen Hamburger in einer Elbblickvilla deprimiert nur eins:
Och, aber gegen die Themse … Wir haben ja extra die Loftwand zur Flussseite ganz mit Glas …
Das Gesicht, das man dann zu sehen bekommt, das ist nicht mit Geld zu bezahlen. Auch nicht mit Elbblick. Da ist man dann plötzlich ganz entspannt, mitten zwischen den Millionären.
Mittwoch, April 30, 2008
Weinprobe
Eingestellt von Henrike um 9:46 PM
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7 Kommentare:
...ich kann die lahn zwar nicht sehn,
aber dafür riechen...
DA muß ma´erst mal hinkommen...
begehrte plätze, ich weiß schon. weitermachen.
war gero von randow da? oder der drink tank?
Moinsen,
Elbblick unbezahlbar? Ich werde dafür bezahlt! Ich kann den Fluss aus meinem Büro heraus sehen...
Gruß
Chris
wohnen, hase, wohnen!
Wenn man lang genug arbeitet, verschwimmen die Grenzen etwas...
Gruß
Chris
PS: Wo schreibst Du eigentlich? Oder ist das keine Arbeit?
PPS: Du hast mich schon länger nicht gesehen, sonst wüßtest Du, das "hase" sehr weit hergeholt ist;-)
wo ich schreibe? immer da, wo mein laptop steht. und der ist meistens immer da, wo ich gerade bin. und das ist in hamburg meine wohnung. nicht so nah an der elbe wie du, aber fußläufig. kann ja nicht jeder an der elbe, ich meine...
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