Montag, Juni 04, 2007

Unter Freunden

Dramatis Personae:
Putzfrau (Anfang 20, vollschlank - sagt man doch so, oder?, bayerischer Akzent)
HH (auf der Suche nach Frühstück)
Freundin von HH (auf der Suche nach ihrer Putzfrau)

Villa in Starnberg. Putzfrau steht mit verschränkten Armen seufzend in der Küche, an den Kühlschrank gelehnt, und sieht aus dem Fenster.

„Oh, guten Morgen… Ich bin hier zu Besuch… Wo ist denn…?“
„Beim Tennis. Jaja.“ (Seufzt.)
„Ah, ok. Gut. Ich würd mir gern was zum Frühstück machen, stört Sie das beim – äh – Sie arbeiten hier doch, oder?“
„Jaja.“ (Seufzt.)
„Also ich mach mir dann mal ein Brot oder so was… Oder wollten Sie hier gerade saubermachen?“
„Neinnein.“ (Seufzt.)
„Gut. Ich mach dann mal.“
„Ich hab ein Problem.“
„Oh? Soll ich lieber später in die Küche…?“
„Ich glaub ich bin schwanger.“
„Äh… Herzlichen Glückwunsch?“
„Nee, das ist alles nicht so einfach.“
„Nein? Wissen Sie nicht…“
„Wer der Vater ist?“
„Das wollte ich gar nicht fragen, aber wenn Sie’s schon ansprechen – wissen Sie’s?“
„Dochdoch. Wir hatten ja schließlich vor drei Tagen was miteinander.“
„Vor drei… Aber dann können Sie doch noch nicht wissen, ob Sie schwanger sind?“
„Naja, vor vier und vor fünf Tagen hatten wir auch. Und wir haben ja nicht… Also ich nehm keine Pille und er hat ne Gummiallergie.“
„Eine Gummiallergie??? Ja klar. Also ich meine – klar! Der – äh – Ärmste. Aber dann müssen Sie halt zwei Wochen warten und machen nen Test, oder wie ist das? Entschuldigung, ich brauch mal eben die Butter… Danke.“
„Ja, aber der ist doch dann wieder weg. Der ist doch Berufssoldat, und als wir über Kinder und Heiraten gesprochen haben, hat er gesagt, er hat ja schon zwei Kinder und war auch mal verheiratet.“
„Aha. Wie lange sind Sie denn schon zusammen?“
„Hm, Moment… (Zählt an den Fingern ab.) Fünf Tage!“
„Fünf Tage!!!“
„Ja.“
„Und Sie haben schon über Kinder und Heiraten gesprochen!?“
„Ja klar!“
„Und er hat ne Gummiallergie.“
„Na nicht so richtig. Er hat Zucker und muss Insulin spritzen und deshalb hat er so Probleme mit seinem… Sie wissen schon. Und die werden mit so nem Ding schlimmer, deshalb geht das nicht.“
„Aaaaaah. Er hat Diabetes und ist, was, Berufssoldat? Ich brauch mal das Messer da… Danke. Wo muss er denn hin, wenn er jetzt erstmal weg ist? Irgendwo anders in Deutschland?“
„Nee, in den Irak, da ist doch Krieg. Und dann nach Afghanistan.“
„Mit Diabetes?!?“
„Jaja, er hat sich nämlich freiwillig gemeldet. Der kämpft ganz vorne mit und weiß nicht, ob er wieder zurückkommt, deshalb haben wir ja auch gleich…“
„Moment, ist das vielleicht ein amerikanischer Soldat?“
„Nein, ich glaub nicht.“
„Sie glauben… Na gut. Und Sie sind aber jetzt richtig mit dem – äh – zusammen oder wie?“
„Ich denk schon. Obwohl ich nicht zu ihm nach Hause darf.“
„Sie dürfen nicht…?“
„Nur, wenn ich vorher anrufe. Er hat gesagt, ich darf nicht einfach so vorbeikommen, und außerdem hat er keine Klingel. Die ist kaputt, und deshalb macht er nicht auf.“
„Aaaaaah.“
„Aber ich war trotzdem mal da, und da war gar kein Türschild und nichts, und er hat mich dann auch mal reingelassen, und in der Wohnung war auch nichts, nur ne Matratze.“
„Aaaaaaah.“
„Ich glaube, da stimmt was nicht mit dem!“
„Ehrlich gesagt, das glaub ich auch. Sekunde, dürft ich mal eben die Marmelade…“
„Mein Papa hat auch gesagt, da stimmt was nicht.“
„Sie haben Ihrem Vater davon erzählt?“
„Ja klar! Er hat gesagt, der Typ ist nicht gut für mich. Aber ich liebe ihn nun mal.“
„Fünf Tage, ja?“
„Er ist doch bald wieder im Irak!“
„Wissen Sie was, hören Sie auf Ihren Vater.“
„Und wenn ich schwanger bin?“
„Warten Sie’s doch erstmal ab. Dann können Sie immer noch drüber nachdenken.“
„Also erst hat er gesagt, Kinder findet er prima und er würde mich heiraten, und hinterher hat er gesagt, hoffentlich bin ich nicht schwanger geworden, er braucht keine Kinder mehr!“
„Vergessen Sie ihn.“
„Meinen Sie?“
„Ja. Ist noch was von dem Saft da? Danke.“
„Aber ich bin so durcheinander, ich kann gar nicht arbeiten!“
„Hab ich gemerkt. Also, dass Sie durcheinander sind, meine ich.“
„Ich glaub ich fahr mal zu seiner Wohnung und beobachte ihn.“
„Äh, sind Sie denn hier schon fertig? Ich meine…“
„Ich kann jetzt nicht. Ich bin doch außerdem schwanger.“ (Geht.)

10 Minuten später. Die Freundin kommt vom Tennis.
„Wo ist denn meine Putzfrau?“
„Stalkt den Typen, von dem sie vielleicht schwanger ist. Warum?“
„Eigentlich hat die hier heute nen ganzen Tag zu tun…“
„Du weißt, dass sie wahnsinnig ist?“
„Klar.“
„Hat sie so was öfter, also, dass sie von irgendwelchen Typen…“
„Ständig. Wer ist es diesmal?“
„Berufssoldat, der in den Irak muss, obwohl er Diabetiker ist.“
(Freundin verdreht die Augen, sagt:) „Hat sie gemerkt, dass da was faul ist?“
„Glaube, sie hat so eine leise Ahnung.“
„Immerhin. Bei dem Millionär, der sie immer in seinem klapprigen alten Golf abgeholt hat, weil er sich vor den Ölscheichs verstecken musste, die ihn umbringen wollten, hat es etwas länger gedauert.“
„Wo findet sie solche Typen? Das ist ja großartig.“
„Keine Ahnung. Ist noch was von dem Saft da?“

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