Heute hätte sie Geburtstag: Die große Dorothy L. Sayers! Aber nein, sie musste ja unbedingt vor fünfzig Jahren sterben. Na ja, ihren 104. hätte sie heute, das wäre dann vielleicht doch ein bisschen viel verlangt.
Man kennt sie als Autorin gut gelaunter Krimis um einen meist noch viel besser gelaunten Lord Peter Wimsey. Man weiß vielleicht auch noch, dass sie, zusammen mit Agatha Christie und ein paar anderen, einen Verein zur Förderung der Kriminalliteratur gründete: den Detection Club. (In diesem Club wurden z.B. Regeln für das Verfassen von Kriminalgeschichten aufgestellt, die dann nur wenig später in schöner Regelmäßigkeit von den Clubmitgliedern selbst gebrochen wurden – ich erinnere nur an "The Murder of Roger Ackroyd" von Agatha Christie…) Und ganz vielleicht denkt man an Dorothy L. Sayers auch als an eine moderne Frau, die für ihre Rechte eintrat, die ein für damalige Zeiten recht ungewöhnliches, ja fortschrittliches Leben führte: Sie studierte in Oxford bis 1916, schloss mit Auszeichnung ab und erhielt, vier Jahre später (!), als eine der ersten Frauen auch das Abschlusszeugnis. Vorher waren Frauen zwar als Hörer zugelassen und durften auch Prüfungen ablegen, ihnen wurden aber keine akademischen Titel verliehen. In diese Zeit fällt übrigens auch das erste Wahlrecht der Frauen in Großbritannien: 1918. Sayers hatte einige Affären, bevor sie heiratete, arbeitete als Werbetexterin, fing währenddessen auch mit dem Krimischreiben an. Wie gesagt, ungewöhnlich.
Was weniger bekannt ist, ist die Sache mit ihrem Sohn. Der entstand aus einer dieser Affären, und der verantwortliche Papa hatte irgendwie keine rechte Lust auf Nachwuchs, also rannte er schneller, als die gute Dorothy das Wort "schwanger" aussprechen konnte. Sie bekam das Kind heimlich – damals gab es Mütterheime für genau diese Fälle, wo man sich in den letzten, kugelrunden Monaten verstecken konnte – und gab es, noch viel heimlicher, in die Obhut einer Cousine, die Pflegekinder aufnahm. Tat so, als sei es das Kind einer Freundin. Beichtete erst später der Cousine, ließ sich aber schwören, dass diese es nie verraten würde. Heiratete dann und nahm das Kind nie zu sich. Dem Kind wurde aber gesagt, "Cousine Dorothy" und ihr Mann hätten es adoptiert und würden deshalb für alle Kosten aufkommen. Doch die Mutterschaft machte Sayers nie publik.
Das ist so ein biografischer Teil, der sich heute schwer akzeptieren lässt, zumal im Licht der Frauenrechtlerin Sayers. Sie verarbeitete ihre eigene Geschichte nach und nach in einigen Wimsey-Romanen und anderen Erzählungen. Nie bitter und düster, eher keck und mit Humor. Ihre Art, mit der Sache fertig zu werden. So viele Schritte weiter als der Rest der Gesellschaft war sie dann eben doch noch nicht.
Was wäre das Leben ohne Abgründe, und vor allem: Wie könnten wir dann noch schreiben?
Mittwoch, Juni 13, 2007
Dorothy und die Abgründe
Eingestellt von Henrike um 1:23 PM
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