Island hat nicht besonders viele Einwohner. Wo sollten die Menschen dort auch leben, bei all dem Eis und den Vulkanen und den vielen kleinen Kobolden und Feen, da bleibt nicht mehr so viel Platz, außer vielleicht für Mythologie. Manchmal gehen Isländer auf Reisen, vor allem, nachdem sie Bands gegründet haben. Dazu nehmen sie gerne ihre Freunde mit, die vielleicht auch Bands gegründet haben. Und unterwegs treffen sie sich mit allen anderen Isländern, die sie irgendwie kennen, Band oder nicht Band.
Eigentlich kennen sie sich alle untereinander, diese Isländer.
So auch beim Amiina-Konzert letztens in Berlin. Amiina ist das Streichquartett von Sigur Rós. Überall Isländer. Die vier streichenden Damen elfengleich auf der Bühne. Schreckhaft und schüchtern wirken sie, wie sie da so zwischen viel zu vielen Instrumenten auf einer viel zu winzigen Bühne herumturnen. Zwischendurch nuscheln sie Unverständliches ganz ganz leise ins Mikro. Sie sehen ehrlich gesagt immer so aus, als hätten sie Angst, jemanden zu stören. Dabei machen sie ganz entzückende Musik, wirklich.
Zusammen mit mir zwei Bekannte, die sich doch sehr, sehr auf dieses Konzert gefreut haben. Bestens informiert sind sie über die einzelnen Musikerinnen. Und auch über sämtliche anwesende Isländer, sofern sie in einer Band spielen. In erster Linie aber über einen, der offenbar eine wichtige Rolle bei Sigur Rós spielt. Oder eben ein Instrument. Ich hätte ihn nicht erkannt, da ich zum einen meistens nicht weiß, wie irgendwelche Musiker aussehen, und selbst wenn ich es wüsste… Diesen Herrn hätte ich niemals erkannt. Ich hätte ihn für ein RAF-Foto gehalten, aber ich bin da auch einfach nicht gut mit so was.
Die beiden Bekannten also in heller Freude, dass er da ist. Kjartan heißt er.
"Ach dann seid Ihr wohl große Fans?"
Kollektives Kopfschütteln. "Nö, naja."
"Kein Autogramm?"
"Auf gar keinen Fall!"
"Also keine großen Fans."
Kurze Pause. Dann der eine: "Ich hab meinen Sohn nach ihm benannt."
"Sag’s ihm, dann freut er sich vielleicht."
Kollektives Kopfschütteln. "Dann ist der Mythos zerstört."
Der Mythos beschließt, sich selbst ins Wanken zu bringen. Er setzt sich neben mich. Die "Wir sind keine Fans"-Fraktion friert komplett ein und bewegt sich erst wieder, als er aufsteht und aufs Klo geht.
"Verdammt ich muss mal", sagt der eine.
"Ja blöd, ich auch!", sagt sein Freund.
"Geht halt", sage ich.
Kollektives Kopfschütteln. "Das geht nicht. ER ist da drin."
"Hoffentlich hört uns keiner zu", sage ich.
"Ach nee, das sind doch alles Isländer", sagt der eine.
Einer der Isländer steht auf und redet auf Deutsch mit der Bedienung hinter der Theke. Dann stellt sich der Mythos zu ihm. Sie unterhalten sich, jetzt wieder auf Isländisch. Der Mythos grinst in unsere Richtung.
Jetzt, jetzt hat er sich selbst zerstört, denke ich, und die beiden neben mir schauen angestrengt in ihre Bierflaschen.
Montag, Juni 04, 2007
Kill Your Idols
Eingestellt von Henrike um 5:22 PM
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3 Kommentare:
Hallo du da, die du nun auch da bist - oder hier :-)
Zappadong
Irgendwo muss ich ja auch..! :)
So ein kribbeln im Bauch
na das kennst Du doch auch
Bist beseelt vom Glück
zu Deinem Star nur ein kleines Stück
willst nur dieses Glück erhalten
nicht Deinen Alltag verwalten
und so erhälst Du den Mythos immer bei Dir
das Leben bleibt groß und das lob ich mir
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