Samstag, August 23, 2008

Leseprobe Lüdenscheid


Also das war so: Der Opa hatte plötzlich Internet. Mit 65. Nee klar! Und was machte er als erstes? Suchte sich eine Thai. Schrieb auf einmal Tag und Nacht E-Mails und chattete und schickte Fotos und Zeug hin und her.
Ich erzählte Papa davon, als wir gerade aus so einer neuen Kneipe in der Altstadt gekommen waren […], und klar, er war alles andere als begeistert. Weil: Wenn der Opa sich so eine Mai Ling aussem Katalog rüberholen würde, dann könnten wir sein Haus vergessen. Und zwar komplett.
Der Plan mit dem Haus war nämlich so, dass der Opa sich irgendwann mal eine schicke Seniorenwohnung irgendwo im Zentrum nehmen sollte, und wir dann in sein Haus ziehen. War ja sowieso viel zu groß für ihn, seit die Oma gestorben war.
Das mit dem Haus muss ich vielleicht mal erklären. Es ist in der Parkstraße, gleich beim Stadtpark. Einfamilienhaus, Dachgeschoss ausgebaut, Garage, vollunterkellert, Rasen drumherum mit Bäumen und Sträuchern und einer Buchsbaumhecke. Zweihundertfünfzigtausend, unter Freunden. […]
Jedenfalls, drei Wochen nach dem Internet fing der Opa auch noch damit an, dass hinterm Haus ein Teich hinsollte. Für Goldfische.
Das war ein schlechtes Zeichen, weil auf einmal überhaupt keine Rede mehr von der Seniorenwohnung war. Papa fand das einen Skandal, wie der Opa sich plötzlich aufführte. Mit der Thai und mit dem Teich.
Ich sagte also zu Papa: Noch länger in dieser dunklen, engen Mietsbude in der Schlachthausstraße halte ich nicht aus. Und Papa nickte nur. […]
Der geht da nie raus, sagte Papa auf einmal und klang ganz düster. Und wenn der nochmal heiratet ... Alles klar. Wir brauchten einen Plan B.
Also?, fragte ich.
Na!, sagte Papa.
Wir schwiegen einen Moment, und dann, ich schwöre es, sagten wir gleichzeitig:
Opa muss weg.
Wie geht das eigentlich mit diesem Internet?, fragte Papa.

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