Montag, Oktober 01, 2007

Hochdruckkreativität

Es ist gar nicht so lange her, da las ich irgendwo einen Artikel über kreatives Schaffen unter Zeitdruck. Eine Illusion sei dies, hieß es. Unter Druck würden keinesfalls bessere Ideen entstehen. Schade, dass ich den Artikel nicht mehr finde. Gerade bin ich nämlich mal wieder über einen der vielen Gegenbeweise gestolpert: George Gershwins "Rhapsody in Blue".
Es war im November 1923, als Gershwin die Anfrage bekam, ein Jazzstück für Klavier und Orchester zu schreiben. Die Uraufführung war geplant für den 12. Februar 1924. Gershwin weigerte sich aus Termingründen, bis sein Bruder Ira bald darauf Georges Namen in der Zeitung las: Dass Gershwin bereits an einem Konzert arbeite, einer Symbiose aus Jazz und Klassik. Eine Zeitungsente! Aber der gute George wollte sich nicht lumpen lassen, setzte sich hin und komponierte – unter Hochdruck. Rechtzeitig fertig wurde er selbstverständlich auch. Und dann war es zu allem Überfluss auch noch ein Riesenerfolg. Ende 1924 war das Stück bereits 84 Mal aufgeführt und die Aufnahme über eine Millionen Mal verkauft worden. Die anderen Stücke, die an jenem Abend ebenfalls uraufgeführt worden waren, sind mittlerweile in Vergessenheit geraten, vielleicht mit Ausnahme von Elgars "Pomp and Circumstances". Aber mal ehrlich.
Kurz: Ohne Druck keine "Rhapsody in Blue". Gershwin wäre nie auf die Idee zu diesem Orchesterstück gekommen, hätte man ihn nicht dazu gezwungen und ihm – schöne Motivationsidee, übrigens – zwischendurch auch noch gesagt, sein ärgster Rivale arbeite an etwas ganz ähnlichem. Es muss also doch etwas dran sein an der erhöhten Kreativität und der drängenden Deadline.
Und noch was: Die "Rhapsody in Blue" war eine Auftragsarbeit. Das ist vielleicht auch ein paar Gedanken wert. Aber heute nicht mehr.

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