Samstag, Oktober 20, 2007

Pause

Mein Körper macht gerade Sachen, über die ich mich mit ihm länger und ausführlicher unterhalten muss. Daher Rückzug und eine Weile Pause...
Denkt an mich!
H.

Donnerstag, Oktober 18, 2007

Malzbier (Heimat)

Dramatis Personae:

HH
Papa

HH: Hm, ich hätt so gerne ein Malzbier, ich fahr mal zum Getränkemarkt.
P: Was denn, um die Zeit?
HH: Ist doch erst neun.
P: Ja eben!
HH: Haben die nicht bis zehn…?
P: Nä!
HH: Und die Tankstellen?
P: Seit zwei Minuten nicht mehr.
HH: Oh… Alle?
P: Naja, in Wetzlar, aber das ist doch jetzt zu weit.
HH: Das sind keine zehn Kilometer!
P: Aber um die Zeit! Wegen nem Malzbier! Kein Mensch fährt um die Zeit nach Wetzlar an die Tankstelle wegen nem Malzbier! Trink doch ein normales Bier!
HH: Ich trinke NIE normales Bier, das find ich doof!
P: Du kannst ruhig auch mal was so machen, wie das andere Leute machen.
HH: Pfff. Ah ich weiß was. Unten die Gaststätte, die haben Malzbier!
P: Du willst Dich doch jetzt nicht in die Kneipe setzen und ein Malzbier trinken?! Ganz allein?!
HH: Nee, die haben das bestimmt in Flaschen, dann kauf ich einfach da eine Flasche.
P: Das geht nicht.
HH: Wieso nicht?
P: Das kann man doch nicht machen.
HH: Wenn ich dafür bezahle, kann ich doch eine Flasche Malzbier mitnehmen!
P: Kein Mensch geht in eine Kneipe und kauft eine Flasche Malzbier!
HH: Und warum nicht? Wenn doch alles andere zu ist?
P: Das geht nicht! Was sollen die denn von Dir denken!
HH: Die kennen mich doch gar nicht!
P: JEDER kennt Dich hier!
HH: Wär Dir das peinlich oder was?!
P: Peinlich, was heißt denn da peinlich, das wär halt… Das macht man nicht!
HH: Sag mal, Du findest mich schon irgendwie komisch, kann das sein?
P: Ich muss jetzt mal hier… Da ist Fußball im Fernsehen… Ich kann jetzt nicht…

Mittwoch, Oktober 17, 2007

Dienstag, Oktober 16, 2007

Dinge, die mich schon mit 14 genervt haben:

Bei meinem ersten und letzten Depeche Mode-Konzert war ich ungefähr 20 Minuten, damals, vor 18 Jahren. Meine Freundin Kerstin wollte unbedingt hin, ich wollte unbedingt nicht hin, wurde aber überstimmt. Wir erwischten einen Einlass der Frankfurter Festhalle, der uns direkt vor die Bühne beförderte. Noch während der Vorband war alles gut. Man hatte Platz, es war ruhig, keiner achtete auf das, was auf der Bühne geschah, sehr schön. Als der DM-Auftritt näherrückte, tat es auch die Meute, bestehend aus kleinen Mädchen etwa in meinem Alter. Sie hatten Teddybären dabei und sagten Dinge wie: Beim letzten Mal stand ich auch schon in der ersten Reihe, und da hat er mich die ganze Zeit angeschaut, bestimmt erkennt er mich jetzt wieder. Sie stritten, wer seinen Teddy zuerst wohin werfen durfte. Die Mädchen drängten immer weiter vor, und ich fand mich unfreiwillig gegen die Absperrung gequetscht. Als die Herren endlich erschienen, hatte ich plötzlich ganz viel Platz: Um mich herum waren alle in Ohnmacht gefallen. Die Sanitäter zogen die Mädchen nach draußen, ich folgte irgendwann, desinteressiert, vertrieb mir die Zeit bei McDonald's, bis auch Kerstin endlich auftauchte, und ja, das war mein erstes und letztes Depeche Mode-Konzert.
Jetzt sind diese kreischenden Mädchen mit dem Depeche Mode-Fimmel älter geworden und machen solche Dinge mit ihren Autos.

Disney-Schloss, Braunfels





Fachwerkterror

Wie soll man denn da... Also, kein Wunder, dass ich... Oder??? Aufwachsen in der Postkarte, Teil 1. Wo's ist, steht drunter.





Wetzlar, Brotschirn
Am Schillerplatz, Wetzlar
Irgendwo in Lich
Irgendwo in Lich
Braunfels, Marktplatz unterm Schloss
Ähm, Braunfels, oder? (Überblick verloren)
Geranio in Braunfels. Macht super Essen

Nochmal irgendwo in Lich

Ausflug nach Oberhessen

Da kommt ja das Bier her, das berühmte. Licher. Aus dem Herzen etc. Also aus Lich. Im Schloss wohnt der Graf zu Solms-Hohensolms-Lich. Und so sieht's da aus, bei dem Grafen zu Hause:
Privatresidenz
Bisschen weiter um die Ecke, immer noch historische Altstadt: Zahnärzte. Kreative Nutzung denkmalgeschützter Bausubstanz. Hervorragend.
Kreative Altstadtnutzung
Licher Bier-Serie:
Ja. Überall.
Aus dem Herzen der Natur
BitLicher
Das mit den Bitburgerkästen hab ich nicht ganz verstanden.
(Mein Papa sagt gerade: Die Bitburger sind die Chefs von Licher, die haben die Mehrheit übernommen. Aha.)

Kindheit revisited

Tja. Die alte Lahnbrücke. Beliebtes Fotomotiv, aber eigentlich mehr von der anderen Seite, damit man die Altstadt und den Dom besser drauf hat. War aber zu faul, rüberzulaufen.
Eisenmarkt. Am Eisenmarkt. Früher stand man dort und unterhielt sich stundenlang, quasi im Vorbeigehen, nicht ohne durchgehend anzumerken, man habe gar keine Zeit. Heute hat auch der Wetzlarer das ImOderVormCaféSitzen für sich entdeckt, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen (weil, im Café saß man früher nur, wenn man zu viel Zeit oder zu viel Geld hatte, arbeitslos oder Rentner war). Es gibt sogar Feinkost- und Bioläden, und manche Menschen sprechen von Wellness und solchen Dingen. Doch, es ändert sich etwas. Nur eben immer ein bisschen später. Ca. 10 Jahre im Schnitt.
Der Dom. Nie vollendet.
Der Wetzlarer Dom, nie vollendet, nicht wirklich schön, aber immerhin Wahrzeichen und von gewissem architektonischen Interesse, weil so ziemlich jeder Baustil vertreten.
Es gab mal Arbeit
Es gab auch mal Arbeit. Leitz, Buderus, Hensoldt. Da arbeitete dann jeder. Im Grunde kategorisierten sich die Wetzlarer ein in "Der ist doch bei Buderus" oder "Der ist doch bei Leitz" (das hieß damals noch Leitz und hatte nichts mit den Ordnern zu tun, jetzt heißt es Leica) etc. Genaue Berufsbezeichnungen erübrigten sich, das war nicht so wichtig. Es gab auch mal zwei große Bundeswehrkasernen und im nicht weit entfernten Gießen einen Natostützpunkt mit vielen Amerikanern. Irgendwann gab es das alles nicht mehr so richtig, und dann, naja, änderte sich vieles.
Musikschule
Meine alte Musikschule. Die sah nicht immer so schön aus. Die wurde eigentlich ständig umgebaut und renoviert. Eine Weile musste ich über die Feuertreppe raufklettern, weil die Haupttreppe gemacht wurde. Ich hatte das schon erwähnt, das mit der Höhenangst?
Klassik Knell
Bei Klassik Knell wurden immer alle Noten gekauft. Und die CDs dazu (früher Schallplatten, aber er war einer der ersten mit CDs, jawohl.) Knell dirigierte auch ein Orchester, mit dem ich hin und wieder, Haydn, Beethoven, Bach, solche Sachen, sogar mal Saint-Saens, aber das ist nun auch schon so lange...

Donnerstag, Oktober 11, 2007

Klischees

Frankfurt, Buchmesse

Dramatis Personae:
R (Lokalreporter)
B (schwuler Buchhändler)
HH

R: So, meine erste Frage: Frauen und Krimis.
HH: Aha?
R: Ja.
HH: Und die Frage war noch mal wie genau?
R: Warum.
HH: Warum was?
R: Warum schreiben Frauen Krimis?
HH: Äh, aus demselben Grund wie Männer? Weil’s Spaß macht?
R: Nein, nein. Das stimmt doch so nicht.
HH: Oh, na gut …
R: Frauen schreiben doch ganz anders als Männer.
HH: Tun sie?
R: Natürlich!
HH: Die Frage hat mir ehrlich gesagt heute schon mal jemand gestellt, und ich hab sie nicht beantwortet.
R (ganz Quizmaster): Aber die Antwort ist ganz einfach!
HH: Die Antwort ist ganz einfach?
R: Na, Frau Heiland! Das liegt doch auf der Hand!
HH: Also das find ich jetzt irgendwie … Das sind doch lächerliche Klischees …
R: Klischees! Es ist die Wahrheit! Wir Männer sind einfach zu viel mehr Brutalität bereit, wir sind …
B (unterbricht): Juuuuuhuuuu! Rieke, mein Engelchen! Sag mal, Käffchen nachher? Ich MUSS Dir unbedingt von gestern Abend erzählen, dieser eine Typ bei mir im Hotel … Oh GOTT, diese Handtasche! Wo hast Du die gekauft! Ich will auch so eine! Also bis gleich, Bussi! (rennt weg)
HH (zerstreut): Ähm … Wo waren wir?
R: Egal. Nächste Frage.

Dienstag, Oktober 09, 2007

Frühstück (Heimat reloaded)

Morgens um elf, man hat noch Dinge zu Frühstückszwecken stehen lassen, von denen man annimmt, dass ich sie verwerten könnte. Nach zweiunddreißig Jahren liegt man auch nicht mehr ganz so schlimm daneben, vielleicht liegt es aber auch an der Stiefmutter, die sich solche Dinge einfach besser merken kann.
Niemand ist zu sehen, auf dem Küchentisch liegt ein Zettel, und die ersten Worte lassen mir den Atem stocken: Auf der Suche nach der verlorenen... steht da, und ich denke in diesem Bruchteil einer Sekunde, bevor ich weiterlese, ich denke Proust? Mein Vater? Das kann nicht! Nicht nach Jahren endloser Vorträge über die Sinnlosigkeit eines Literaturstudiums und die Brotlosigkeit meiner Talente. Das kann nicht!
Brille, endet der Zettel, und ja, das ist er, so kenne ich ihn, niemand hat je so viele Brillen gesucht und verloren wie mein Vater, er ist eigentlich schon seit ich ihn kenne auf der Suche nach der verlorenen Brille. Ich kann wieder atmen, und alles um mich herum wird wieder ganz normal, zum Beispiel klingelt ein fremder Mann und wundert sich, dass ich noch im Schlafanzug bin, und ich wundere mich, dass er sich wundert, aber ich bin ja in Burgsolms, wo alle um sieben aufstehen, dann kommt mein Vater und erzählt die Geschichte von der verlorenen Brille, die er natürlich nicht gefunden hat, ich erzähle ihm von Proust, er schaut irritiert, ich fühle mich fremd, genau, zu Hause.

Sonntag, Oktober 07, 2007

Burgsolms (Herkunft reloaded)

Burgsolms gehört mit vier weiteren Dörfern zur Stadt Solms und liegt an der Lahn. Es gibt noch den Solmsbach, der mündet dann in der Lahn. Die anderen Dörfer hören auf die schönen Namen Oberndorf (mit Burgsolms traditionell verfeindet), Niederbiel (mit Oberbiel traditionell verfeindet), Oberbiel (mit Niederbiel usw.) und Albshausen (mit Steindorf traditionell verfeindet, Steindorf gehört zu Wetzlar, und da gab es bis in die 70er noch das Gasthaus Heiland, genau). Burgsolms ist das größte der Dörfer und heißt deshalb Burgsolms, weil die Solmser Burg mal dort stand. Eine Wasserburg, in der die Edlen von Solms wohnten. Nicht besonders lange, denn die Burg wurde schon im Mittelalter zerstört und nicht mehr so richtig aufgebaut. Zuletzt blieb noch die Storchenmauer unten am Solmsbach, aber die zerbröselte fröhlich, also trug man sie in den 50ern kurzerhand ab. Irgendwann baute man eine breite Straße durch Burgsolms und riss zu diesem Zweck einige schöne Fachwerkhäuschen ab, um Flachdachbauten (hässlich) hinzubauen. Seitdem ist es nur anderswo schön. In Braunfels, zum Beispiel. Oder in Wetzlar. Aber nicht mehr in Solms.
Wer heute Solms hört, denkt an Otto Graf Solms, aber der hat seinen Stammsitz in Lich, weil seine Familie irgendwie zu der Solms-Hohensolms-Lich-Linie gehört. Das ist eine andere als die Solms-Braunfelser-Linie, die haben aber auch ein nettes Schloss, so ist es ja nicht.
Solms gehört zum Lahn-Dill-Kreis und hat etwas über 13.000 Einwohner. Durch die Aufteilung in fünf Dörfer kennt man sich natürlich. Man kennt besonders solche, die Heiland heißen, von denen gibt es in Solms nämlich exakt eine Familie, weil die Heilands ursprünglich aus Wetzlar (Steindorf, zum Beispiel) kommen. Es gibt noch eine Heiland, die sich aber mit dem Namen ihres Ehemanns für Nichtwissende unkenntlich gemacht hat. Die Wetzlarer (und Solmser) Heilands sind so ziemlich alle untereinander verwandt, nicht aber mit den Braunfelser Heilands. Ich sage deshalb so ziemlich, weil es bei Weltbild neuerdings eine Frau Heiland gibt, die auch nicht mit dem Rest verwandt ist. Heilands werden also gerade von Fremdheilands unterwandert.
Wie gesagt, Heiland heißt nur eine Familie in Solms, und weil es so klein ist, kennt man sich, und der Postbote braucht nicht mal eine Adresse. Heiland in Solms, das kommt garantiert an. Es ist so klein dort, dass alle im Dorf besser wissen, wann man nachts nach Hause kommt, als man selbst. Eigentlich wissen die anderen im Dorf immer alles viel besser, auch wenn die früheren Verteiler wie Bäcker Becker und die Metzgerei Keller dem großen Edeka und dem angrenzenden Aldi weichen mussten. (Der Metzger Gerth in Oberndorf hatte eh immer die bessere Mettwurst, muss man ja auch mal so sagen.) Die Solmser fahren zum Einkaufen (nicht Lebensmittel, alles andere) immer nach Wetzlar, das kennen sie nicht anders. Besonders, seit es in Wetzlar das neue Forum gibt, so eine Einkaufsarkade, die den Einzelhandel kaputtmacht. Das findet jeder doof und kauft trotzdem da ein, weil man die erste Stunde kostenlos parken kann, anders als in der Wetzlarer Altstadt, die übrigens recht apart ist, auch wenn Goethe sie richtig scheiße fand.
Zurück zu Solms, Burgsolms. Dort gibt es zwei bis drei Italiener, eine halbe Eisdiele, eine Videothek und einen Schuhladen mit Gesundheitsschuhen. Eine Drogerie, eine Apotheke, zwei Blumenläden (ein dritter auf der Grenze zu Oberndorf), noch ein paar andere winzige Geschäfte und sogar zwei bis drei Kneipen, in die man aber, wenn man unter fünfzig oder über fünfzehn ist, nicht gehen kann. Glaube ich. Dann gibt es noch zwei Kirchen, friedlich nebeneinander, und eine Gesamtschule. Einen Kindergarten. Nun, es gibt eine Menge in Burgsolms. Sogar eine Tankstelle und zwei Waschanlagen. Den erwähnten Edeka (oder war's Rewe?) und auch den Aldi. Eine Sternwarte, das ist nicht gelogen.
Vor allem gibt es aber eine Menge Menschen, die mich noch aus der Zeit kennen, als ich in Windeln von meinen Eltern im Kinderwagen durch den Ort geschoben wurde. Als ich noch rotblonde Zöpfchen mit Kirschhaargummis und Sommersprossen hatte. Als ich noch mit der verbeulten Milchkanne zum Bauern getapert bin und zwei Stunden brauchte, weil ich auf dem Heuboden mit den kleinen Katzen spielen musste, oder mit die neuen Kälbchen und Ferkelchen angeschaut hab. Als ich noch meine Pubertät mit Hilfe eines großen schwarzen Huts und anderer schwarzer Kleidungsstücke versuchte zu überleben.
Und da frage ich mich jedes Mal, ob das so eine gute Idee ist. Dann auch noch für drei Wochen.

Blick aus meinem Fenster. Kein Witz.

Freitag, Oktober 05, 2007

Sprachbarrieren

Die Scotch Malt Whisky Society in Edinburgh hat ein Clubhaus in Leith, ein anderes in der Queen Street. Man kann dort auch für viel Geld etwas essen, aber das erledigen wir dann doch lieber anderweitig und freuen uns auf den Whisky.
Es ist an diesem Abend feine Gesellschaft in der Queen Street anwesend. Frauen in Etuikleidern und Perlenketten, die immer, wenn sie lachen, die Fingerspitzen der linken Hand zum Dekolleté führen, um anschließend minutenlang an der Perlenkette herumzufingern. Die Herren sind fein geputzt, tragen die Krawatten ihrer ehemaligen Schulen oder Universitäten und stehen meist. Wir verziehen uns in einen Nebenraum, weil David nicht stehen will und ich keine Perlenkette habe. Zwei andere sitzen dort schon in der Ecke und flüstern ein bisschen, erstmal. Ich denke: Sie sehen deutsch aus. Sie sind es auch.
Der eine fühlt sich deutlich fehl am Platz und weiß nicht, wie er sich hinsetzen soll. Was eigentlich nicht schwer ist bei den riesigen Ledersesseln: einfach versinken. Der andere, deutlich der dominantere, erklärt seinem Freund die Welt, das Leben und die Frauen und hört auf zu flüstern, als er David ganz richtig als Schotten ausmacht. Mit steigendem Whiskyverbrauch erhöht sich die Lautstärke der beiden um ein weiteres.
Jetzt lästern sie über ihre Exfreundinnen, und ich glaube ihnen nicht, dass es so viele gewesen sein sollen. Nach einem weiteren Glas reden sie über die anwesenden Frauen, und ich fange an, mich zu ärgern. Es gibt Dinge, die will man über sich nicht hören.
David sagt: They do look German, don’t you think?
Er kennt sich aus mit Deutschen. Er verbringt einen nicht geringen Teil seiner Astronomenlaufbahn am Eso in München. Er hat die deutschen Stereotypen abgespeichert und sortiert die beiden richtig ein.
Er sagt: Don’t give yourself away, you’d spoil everything.
Und ich ärgere mich ein bisschen, weil ich gerne aufstehen und ihnen den Wasserkrug übergießen möchte. Aber dazu bin ich zu gut erzogen. Also verrate ich nichts, wie verlangt.
Dann gehen sie, nicht ohne noch zwei, drei ungezogene Dinge über ihre Manneskraft, haha, zu sagen. Sie müssen an uns vorbei, und David lächelt sie an, sagt: You won’t believe it, but she speaks fluent German! Ich lächle auch, und die beiden purzeln, hochrot im Gesicht, die Treppe hinunter.
Die Whisky Society hat nun zwei Mitglieder weniger, aber irgendwie ist das nicht so richtig schlimm, glaube ich. Der eine war sowieso nur zu Besuch.

Mittwoch, Oktober 03, 2007

Interviewing IR - Nightmare Vision

HH (struggles for words): …
IR (taps his foot impatiently): Yeees?
HH: Erm … (coughs) Well, I … erm …
IR: You're interviewing me. Or rather, you're supposed to. You've been sitting here for five minutes saying nothing. Maybe you could start with a few questions? What do you think?
HH: Erm … I guess …
IR: Some journalists make notes before the interviews. You know, they write down their questions so that they know what to ask. See?
HH (rummages frantically through handbag): Oh, I … erm …
IR: You forgot.
HH: Y-yes …
IR: And your recorder? I mean, you didn't plan to write down my answers in shorthand? Especially as you don't seem to have anything to write on you?
HH: A recorder? Oh …!
IR: I see. Anyway … (helpfully) You could ask me something about my new book.
HH: Oh, right! … So … There's a new book, then?

IR (rolls eyes): I thought that's why we were here!
HH: Oh. Right. Erm …
IR: Just ASK me something! Anything!
HH: Erm … So … You like … erm … whisky, eh?
IR: Next question will be about my favourite colour, then?!
HH: Oh! That's … Well, yes, if you like …
IR: That was meant to be a joke.
HH: Ah! I see! Haha! Funny!
IR (rubs his temples): Someone'd better get me out of here. Now!

Montag, Oktober 01, 2007

Hochdruckkreativität

Es ist gar nicht so lange her, da las ich irgendwo einen Artikel über kreatives Schaffen unter Zeitdruck. Eine Illusion sei dies, hieß es. Unter Druck würden keinesfalls bessere Ideen entstehen. Schade, dass ich den Artikel nicht mehr finde. Gerade bin ich nämlich mal wieder über einen der vielen Gegenbeweise gestolpert: George Gershwins "Rhapsody in Blue".
Es war im November 1923, als Gershwin die Anfrage bekam, ein Jazzstück für Klavier und Orchester zu schreiben. Die Uraufführung war geplant für den 12. Februar 1924. Gershwin weigerte sich aus Termingründen, bis sein Bruder Ira bald darauf Georges Namen in der Zeitung las: Dass Gershwin bereits an einem Konzert arbeite, einer Symbiose aus Jazz und Klassik. Eine Zeitungsente! Aber der gute George wollte sich nicht lumpen lassen, setzte sich hin und komponierte – unter Hochdruck. Rechtzeitig fertig wurde er selbstverständlich auch. Und dann war es zu allem Überfluss auch noch ein Riesenerfolg. Ende 1924 war das Stück bereits 84 Mal aufgeführt und die Aufnahme über eine Millionen Mal verkauft worden. Die anderen Stücke, die an jenem Abend ebenfalls uraufgeführt worden waren, sind mittlerweile in Vergessenheit geraten, vielleicht mit Ausnahme von Elgars "Pomp and Circumstances". Aber mal ehrlich.
Kurz: Ohne Druck keine "Rhapsody in Blue". Gershwin wäre nie auf die Idee zu diesem Orchesterstück gekommen, hätte man ihn nicht dazu gezwungen und ihm – schöne Motivationsidee, übrigens – zwischendurch auch noch gesagt, sein ärgster Rivale arbeite an etwas ganz ähnlichem. Es muss also doch etwas dran sein an der erhöhten Kreativität und der drängenden Deadline.
Und noch was: Die "Rhapsody in Blue" war eine Auftragsarbeit. Das ist vielleicht auch ein paar Gedanken wert. Aber heute nicht mehr.

Kulturelle Unterschiede in Notsituationen

Allergiker haben es in Deutschland nicht leicht. Sie werden meistbietend belächelt und am Ende gar als jämmerliche Waschlappen verhöhnt. In Großbritannien ist das anders. Jeder kann mit dem Begriff Antihistamine etwas anfangen, denn sie sind elementarer Bestandteil des britischen Lebens. So wenig wegzudenken wie Antibiotika und Paracetamol (beides nimmt man hier wie Smarties).
Erklärt man am Telefon in einer misslichen Lage dem netten Menschen am anderen Ende der Leitung, dessen Beruf es ist, Notrufe kompetent entgegenzunehmen, erklärt man ihm also, dass es sich um eine allergiebedingte Unpässlichkeit mit ungewissem Augang handelt, hat man schneller eine Ambulanz neben sich stehen, als man 999 wählen kann. Das ist beruhigend. Man fühlt sich erstgenommen und fast schon zu Hause in einer Kultur, die offenbar versteht, was man so durchmacht.
Zwanzig Minuten später aber, kaum, dass die Gefahr für Leib und Leben abgewandt ist, wünscht man sich wieder deutsche Verhältnisse. Wenn man nämlich auf die blutbespritzten Wände und gelbfleckigen Laken der Notaufnahme blinzelt und genau weiß: Nein, das sind keine Halluzinationen.
Auch das deutsche Zauberwort Privatpatient führt zu nichts. Die einzige Reaktion kommt von einer Krankenschwester, die einem den Arm tätschelt und in professionell-beschwichtigendem Ton sagt: "That’s all very well, love." Nur um alles, was man über seine Privatversicherung zu erklären versucht, komplett zu ignorieren. Der NHS kümmert sich nun mal um jeden EU-Bürger und will kein Geld, selbst wenn man es auf den Krankenhausflur werfen und schreien würde: "Behaltet es! Ich will es nicht! Ich will nur ein sauberes Laken!"
Dann aber wieder ein Lichtstrahl. Die Ärzte scheinen insgesamt deutlich entspannter zu sein. Wenn man weiß, wieviel sie hier verdienen, wundert es einen nicht mehr. Auch der Anteil ausländischer Ärzte ist damit erklärt ("Oh you're German? I'm from Holland!" oder "Heiland? Sind Sie aus Deutschland? Ich auch! Ich komm aus Bremen, und Sie?").
Sie nehmen sich viel Zeit, wenn sie erstmal aufgetaucht sind (was wiederum zwei bis fünf Stunden dauern kann, je nachdem, wie notfallig man nach der Erstversorgung eingestuft wird). Man fragt etwas und erwartet eine latent einsilbige, unverständliche Antwort, bekommt aber stattdessen eine sehr anschauliche Medizinvorlesung für Anfänger, dazu noch eine verständliche Extralektion in Arzneimittelkunde. Der Hypochonder in mir fühlt sich wohl und feiert (was ich nun erstmal für ein paar Tage vergessen kann, mit all den Antihistaminen, Antibiotika und Paracetamol... Hab ich was vergessen?).
Spannend bleibt die Scham des männlichen Mediziners vor der weiblichen Patientin. Kaum lüpft man den Pulli, damit die Herztöne besser abzuhören sind, wendet sich der Arzt panisch ab, rennt auf den Flur und zerrt die nächstbeste Krankenschwester in das Behandlungszimmer, damit diese über allem wacht. Ob nun der Arzt Angst vor der zudringlichen Patientin hat, oder ob die Patientin dem lüsternen Doktor nicht schutzlos ausgeliefert sein soll, bleibt ein Rätsel, klar ist nur, es sollen Prozesse wegen sexueller Belästigung nach amerikanischem Vorbild vermieden werden.
Erwähnenswert auch die grauhaarigen älteren Damen an der Rezeption, die über scheinbar endlose Geduld verfügen, sobald es um das Ausfüllen unübersichtlicher Zettel geht.
Ach es ist schön in diesem Land. Fast möchte ich auf das freundliche Angebot, noch ein paar Tage zur Beobachtung zu bleiben – aus rein landeskundlichem Interesse, natürlich - eingehen, da fallen mir wieder die blutverschmierten Wände ein, und ich denke mir, nein, ich habe genug gesehen. Ich kann es sicher mal in einem Buch verwenden. Und den Rest, den kann ich mir ja nun auch ausdenken.

Keen to see the stars...

…oder Keane. Ich mag sie ja teils ganz gerne, aber zum Starkult reicht es nicht, was vielleicht auch am Alter liegt. An meinem.
Wie immer, wenn man gar nichts erwartet und auf gar nichts hofft, bietet einem das Leben Seltsames. Vor einiger Zeit erst in Edinburgh, auf der Suche nach einem Internetcafe, ging ich von der Royal Mile in Richtung Grassmarket, das erschien mir der logischste Ort für mein Unterfangen. In der Victoria Street, einer kleinen, engen Straße, die zum Grassmarket führt, standen mehrere große Busse mit getönten Scheiben, die ich zunächst für Touristenreisebusse hielt. Ich quetschte mich auf dem Bürgersteig neben den Bussen hindurch, als aus einem drei bis vier junge Herren heraushüpften und mich über den Haufen rannten. Man entschuldigte sich gegenseitig beieinander, und ich überlegte, warum sie mir latent bekannt vorkamen, bis ich das Schild im Seitenfenster des Busses sah: Keane.
Das Bedürfnis, meine Mails zu checken, war allerdings deutlich größer als die Neugier, und außerdem plagten mich noch ein paar andere Bedürfnisse. Nach einer kühlen Cola, beispielsweise. Ich fand, wonach ich gesucht hatte, trieb mich noch ein wenig am Grassmarket und unterhalb des Schlosses herum, bog um eine Ecke und rannte wieder in drei bis vier junge Herren, die mir latent bekannt vorkamen. Weil sie mich vorhin schon umgerannt hatten und weil ich ja nun wusste, mit wem ich es zu tun hatte. Man entschuldigte sich also wieder, kommentierte die engen Straßen und das wunderbare Wetter, wünschte sich noch eine schöne Zeit, und jeder ging seines Weges.
Zurück in der Victoria Street, wieder vorbei an den Bussen, wo mittlerweile eine Traube von Journalisten und quietschenden Mädchen versammelt war. Naja gut, die Mädchen quietschten noch nicht, aber es war klar, sie würden es tun, sobald man ihnen Grund und Gelegenheit dazu gab. Offenbar hatten diese versammelten Menschen noch nicht das Vergnügen eines Zusammenpralls gehabt.
Ich wette, hätte ich gesteigertes Interesse an Keane gehabt – niemals wäre es dazu gekommen. Schon komisch, dieses Leben, in dem man ständig das findet, wonach man gar nicht gesucht hat.

Smellie Books

Das Kleinmannsyndrom ist ja weithin bekannt. Männer, die der durchschnittlichen Frau gerade mal so mit der Stirn bis knapp unters Kinn reichen, kompensieren diese Schmach oft mit ausgiebig aggressivem Verhalten und dem Versuch, irgendwie erfolgreich zu werden, um das holde Weib mit anderem als preußischem Gardemaß zu beeindrucken. Die Weltgeschichte ist voll von diesen Männern und ihren Kriegen.
Ob es so etwas wie das Blödenamensyndrom gibt, wäre auch einmal eine Untersuchung wert. Dachte ich zumindest, als ich über den schottischen Enzyklopädisten William Smellie stolperte. (Er muss zu Schulzeiten gelitten haben.) Smellie brachte - zusammen mit einigen anderen - die allererste Ausgabe der Encyclopædia Britannica heraus. An der zweiten Ausgabe arbeitete er schon nicht mehr mit, und bald geriet er in Vergessenheit. Letzteres liegt sicher zum Teil daran, dass man sich generell kaum an Herausgeber erinnert. Warum seine Mitarbeit an dem heutigen Standardwerk von so kurzer Dauer war, könnte mit der Qualität seiner Beiträge zu tun haben. Die besaßen zwar einen gewissen Unterhaltungswert, hatten aber wenig Wissenschaftliches. Über intensiven Tabakgenuss schrieb er beispielsweise, dieser würde das Gehirn zu einem kleinen schwarzen Klumpen eintrocknen, der nur noch aus Membranen bestünde. Den Eintrag über Frauen wusste er auch ausführlich zu füllen: weibliche Menschen, schrieb er da. Und Punkt. Na, immerhin hat er sie erwähnt, die Frauen. Vielleicht schmähte man ihn aber auch wegen seines Namens. Ich meine, wie hört sich das an, wenn man von der "Smellie edition" der Encyclopædia Britannica sprechen müsste? Geht gar nicht.
Zu allem Überfluss hieß er auch noch genau so wie ein Glasgower Mediziner, der als "Father of British Midwifery" in die Geschichte einging. Dessen Methode zur verbesserten Geburtshilfe muss gerade zu dem Zeitpunkt ins Gerede gekommen sein, als der Edinburgh-Smellie noch ein Schuljunge war.
Oh nein, er kann es wirklich nicht leicht gehabt haben.
Aus dem Ruhm wurde also nichts. Smellie wurde zwar von dem ein- oder anderen Dichter, dessen Werk er herausbrachte, posthum geehrt, doch gibt es genügend andere, die ihn als wüsten Trunkenbold bezeichneten. Sei es nun, weil der Schotte als solcher gerne trinkt, sei es vielleicht, weil einem mit diesem Namen nicht viel anderes im Leben bleibt, man weiß es nicht. Jedenfalls wieder nichts Gutes für den Mann.
Gibt es denn Untersuchungen zum Einfluss von Namen auf, sagen wir, Berufswahl oder Lebensglück oder Kriegsführung oder sonstwas Absurdes? Oder sind diese Untersuchungen zum Scheitern verurteilt, weil man Namen, im Gegensatz zur Körpergröße, leicht ändern kann? Wahrscheinlich. Schade auch.

PS: Kommt erst gar nicht auf die Idee, mir blöde Witze mit meinem Namen zu schicken. Ich kenne sie alle. Alle!

PPS: Ja, na gut. Letztens in Anklam bei der Polizei, da sagte der Pförtner ganz stolz zu mir: "Wir hatten hier schon mal einen, der hieß so wie Sie. Den haben sie dann ans Kreuz genagelt!" Höhöhö.

Schottland und das Finden dessen, was man gar nicht gesucht hat

"Scotland is the most accomplished nation in Europe", sagte mal der Sohn von Sir Robert Walpole, dem ersten britischen Premierminister. Das war im 18. Jahrhundert. Horace Walpole, 4. Earl of Orford und seit 210 Jahren tot, kennt heute niemand mehr. Dabei haben wir ihm so einiges zu verdanken.
Zum einen hat er die Weichen für die später blühende Gothic Novel gestellt. Er hat ein Büchlein herausgegeben, getarnt als Übersetzung eines italienischen Texts aus dem frühen 16. Jahrhundert, der wiederum im 12. Jahrhundert spielt. Es hieß: "The Castle of Otranto". Otranto gibt es wirklich, das beschriebene Schloss auch, es ist sogar genauso düster und verwinkelt und unheimlich wie in der Erzählung, nur stand es nicht in Apulien, sondern in Twickenham an der Themse und hieß "Strawberry Hill" – Walpoles eigenes Schlösschen, nach dem die heutige Londoner Siedlung benannt ist.
Die Vermarktungsstrategie war also ähnlich dem, was wir heute vom "Blairwitch Project" kennen. Nachdem es ein Erfolg wurde, bekannte sich der Autor als Autor dazu, und es war nur noch halb so spannend.
Dreißig Jahre nach "The Castle of Otranto" landete er seinen zweiten großen Erfolg. Diesmal mit einem Buch über die englischen Landschaftsgärten, deren Schutzpatron er heute ist, falls es so etwas wie einen Schutzpatron englischer Landschaftsgärten gibt.
Und dann ist er noch derjenige, der das Wörtchen Serendipity erfand und prägte. Serendip, soviel zur Entstehung des Wortes, ist das heutige Sri Lanka. Walpole las damals ein Märchen mit dem Namen "The Three Princes of Serendip", in denen die Prinzen eine unerwartete Entdeckung machen. Man benutzt das Wort heute entsprechend für wissenschaftliche Entdeckungen, die gar nicht auf dem Plan standen (Penicillin, Nylonstrümpfe), ein süßlicher Film mit John Cusack ist so benannt, und besonders Frauen, heißt es, sind für Serendipity, also dem Finden dessen, wonach man gar nicht gesucht hat, besonders anfällig, wenn man sie zum Einkaufen schickt.
Vielseitig, dieser Mann und seine Interessen. Aber ehrlich gesagt muss jetzt niemand losrennen und das Büchlein kaufen. Es ist doch zu albern, liest man es heute. Der Einfluss, den es hatte, zählt. Belassen wir es dabei, dies freudig zur Kenntnis zu nehmen.
Wie der Londoner allerdings zu seinen Gedanken über Schottland kam – ich bin noch dabei, es herauszukriegen. Vielleicht finde ich ja jetzt all das, was ich noch gar nicht gesucht habe.