Der Journalist gießt meinen Wein auf. Ich erkläre ihm zum ungefähr achtzehnten Mal, dass ich nichts trinke und eigentlich nach Hause fahren möchte, abgesehen davon, dass wir schon seit einer halben Stunde fertig sind mit dem Interview. Aber er doziert weiter über seine Lieblingsbücher und Lieblingsbands, seine Lieblingsfilme und Lieblingsitaliener in München und vielleicht auch außerhalb, und weil ich ein höflicher Mensch bin, höre ich höflich zu und nicke mit Ahs und Ohs. Mein Weinglas läuft fast über, weil er dauernd nachgießt, ohne dass ich daraus trinke. Er trinkt dafür umso eifriger.
Wir sitzen übrigens in seinem Wohnzimmer, es ergab sich so und war im Grunde auch nicht weiter schlimm, wir kennen uns ja lose schon eine Weile, beruflich, ohne tieferen Sinn, und er hat eine komplizierte Geschichte erzählt, in der seine Kinder, sein Auto und diverse andere Unwegsamkeiten vorkamen. Dann erklärt er mir sein wirres Liebesleben, ohne dass ich danach gefragt hätte. Ich bin höflich und mache an den entsprechenden Stellen ein entsprechendes Gesicht. Zwischendurch klingelt immer wieder das Telefon, und er behauptet, sein Bruder rufe so hartnäckig an. Endlich vertraut er mir an, wie schrecklich seine Ex-Freundin sei, als es an der Tür klingelt. Wieder zurück, spricht er von seinem Nachbarn, der offenbar etwas bringen oder holen wollte, nun. Nachbarn. Er spricht weiter über seine Ex-Freundin, sie sei so aufdringlich, schicke ihm Päckchen, lasse ihn nicht in Ruhe, störe ihn Tag und Nacht, und überhaupt, sie sei schon immer die Falsche gewesen. Ich höre zu, höflich immer noch, und sehe, wie sich hinter seinem Rücken eine dunkelhaarige Frau in das Zimmer schleicht. Sie stemmt die Hände in die Hüften und hört aufmerksam zu. Als er kurz Atem holt, frage ich, höflich: „Nur, damit ich das einordnen kann: Sprechen wir von ihr?“ Ich zeige vage in ihre Richtung. Er dreht sich um, springt auf und versucht, sie aus dem Zimmer zu schieben. Sie kratzt und beißt und schreit: „Ex-Freundin, ja? Und letztes Wochenende waren wir noch zusammen im Urlaub!“ Ich will mich verabschieden, in aller Form, doch beide keifen mich an, ich solle sitzen bleiben. Beide brauchen offenbar für irgendetwas einen Zeugen. „Du hast gesagt, sie sei fett und hässlich und dass Du nichts von ihr willst“, knurrt die Frau, und ich versuche, aus reiner Höflichkeit, fett und hässlich auszusehen, aber es hilft nichts. Sie gehen zum Weiterstreiten in ein anderes Zimmer, und ich kann endlich nach Hause fahren.
Hätte er mich vorher gefragt, ich hätte die Sache leicht mit einem Och nö abkürzen können, und der Ärger mit der Dame wäre ihm erspart geblieben. Das Interview erscheint ja nun so oder so nicht. Und mich entzückt die Dummheit der Männer.
1 Kommentar:
...würd´ich gern mal sehn, wie du aus höflichkeit hässlich und fett aussiehst...
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