Freitag, November 16, 2007

When Under Ether

Drei Vollnarkosen in vier Wochen haben Nebenwirkungen, vor allem auf die psychische Beschaffenheit. Bei der ersten noch diskutiere ich mit dem Anästhesisten über meinen Unwillen, mich diesem vollkommenen Kontrollverlust auszuliefern.
„Hat man Ihnen so eine blaue Tablette gegeben?“, fragt er.
Ich nicke eifrig.
„Wirkt nicht bei Ihnen“, murmelt er, deutlich unwirsch, während ich ihm erkläre, dass ich Krankenhäuser, Ärzte, Narkosen und Operationen im Grunde ablehne und gerne wieder gehen würde. Er dreht eilig an irgendeinem Dings, das mit dem Tropf verbunden ist, und ich bin schneller weg, als mir recht ist.
Bei der zweiten ist es ein anderes Krankenhaus und eine andere blaue Tablette.
„Wirkt sie?“, fragt der Anästhesist, und ich sage: „Keine Ahnung, was passiert denn, wenn sie wirkt?“
„Gut, sie wirkt also nicht“, stellt er fest und will wissen, wie es mir geht. Diesmal behalte ich meine Meinung über Krankenhäuser, Ärzte, Narkosen und Operationen für mich und sage nur, dass ich Kopfschmerzen, Atemnot und weitere typische Anzeichen für eine Panikattacke habe.
„Ich habe auch Kopfschmerzen“, sagt er und bereut es sofort, weil ich wissen will, seit wie vielen Stunden er schon im OP rumsteht. Achtzehn? Zwanzig? Er beteuert, noch in der ersten Zwölfstundenschicht zu sein und verspricht mir, gut auf mich aufzupassen.
„Denken Sie an was Schönes“, sagt er. „Bei dreißig Prozent klappt’s, dass sie davon träumen.“
Ich denke an Fife, gehöre aber nicht zur Minderheit. Ich träume von München, stelle fest, dass ich die ganze Zeit schon in München bin und finde mein Unbewusstes nicht sonderlich einfallsreich.
Bei der dritten hat man mir keine blaue Tablette verordnet, und der Anästhesist weiß schon, dass ich Angst habe. Weil er sich an mich erinnert oder weil die Schwester seit fünf Minuten meine Hand tätschelt und mir eine Einführung in die verschiedenen Narkosearten gibt, die ich nicht hören will. Eigentlich sollte ich mich langsam auskennen, aber ich strample wieder unwillig, als die Maske auf mich zukommt und glaube kein Wort davon, dass es sich erstmal nur um Sauerstoff handelt. Der Anästhesist versichert, es sei völlig normal, Angst zu haben. Ich behaupte, nur Menschen zu kennen, die tolle Geschichten über Vollnarkosen erzählen, aber er weiß: „Bei mir hatten sie bis jetzt noch alle Angst.“
Das beruhigt vorerst, und ich hauche noch etwas von möglichen Panikattacken. Der Anästhesist tätschelt jetzt meine andere Hand, und dann bin ich auch schon wieder im Aufwachraum und frage, wann es losgeht. Auf der Station schlafe ich glatte fünf Stunden und träume Psychedelisches, zum ersten Mal in meinem Leben. Eine Siebzigerjahrekulisse vorwiegend mit rotschwarzweißen Spiralen, in denen ich mich verlaufe, während die Yellow Submarine unter Regie der Coen-Brothers vorbeikommt. Alice ist wieder im Wunderland, ich hüpfe über ein schwarzrotes Schachbrett, wo in den Spielfeldern um mich herum kleine weiße Hasen verschwinden.
Zwischendrin werde ich immer wieder kurz wach und sehe die Friseurin im Bett neben mir (aus bei Landshut, macht in L’Oréal und Wella) Harry Potter lesen. Manchmal sehe ich sie auch ihren Katheter spazieren tragen und tief seufzen. Die psychedelischen Träume hören erst gegen Nachmittag auf, und ich versuche, mich an den Namen des Anästhesisten zu erinnern, weil ich wissen will, was er mir diesmal gegeben hat, oder ob einfach die Narkosenhäufung Schuld ist.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

als ich vor ein paar jahren im krankenhaus war und operiert wurde, betonte ich auf dem weg in den op glaube ich 20 mal, dass ich der bänderriss bin und NICHT an den augen operiert werden möchte. die krankenschwester musste es wiederholen.

dem anästhesisten habe ich gefragt, ob er "schweine im weltall" kennt - das war ein sketch bei den muppets und miss piggy war die krankenschwester.
der hat zugesehen, dass ich schnell weg war.

anobella