Samstag, Juni 16, 2007

Von Schafen und anderem Zeugs (Irland reloaded)

In der Konzeptionsphase eines neuen Romans macht man sich nicht nur über den Inhalt Gedanken, sondern fast noch mehr über Perspektive, Aufbau, Struktur. Diese Dinge. Man schwankt zwischen dem Altbewährten (hat schon einige Bücher lang funktioniert, warum also sollte es diesmal nicht auch) und dem Experiment (so von wegen weiterentwickeln und überhaupt).
Auf der Suche danach, was es so alles gibt und wie andere das so machen, stößt man im eigenen Bücherregal gerne auch auf gattungsfremdes Zeug und liest sich fest, weil, Inspiration kann ja von überall, nicht wahr. So geschehen mit Flann O'Brien, den wahrscheinlich wieder viel zu wenige kennen, leider. Großartiger irischer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, großartige Kolumnen hat er geschrieben, großartige Romane außerdem.
"At Swim-Two-Birds" zum Beispiel. Da geht es um Romancharaktere, die mit ihrem Autor nicht zufrieden sind, ihn deshalb unter Drogen setzen, damit er schläft, und das Buch selbst schreiben. Ein Student, der nie seine Kurse besucht, schreibt parallel ein Buch über eben diesen Autor. Sämtliche Figuren sind anderen Romanen entliehen, weil Flann O’Brien der Meinung war, es gäbe schon genug fiktionale Charaktere auf der Welt.
Herrlich.
Oder "The Dalkey Archive", da trifft der Protagonist auf einen gealterten James Joyce, der in irgendeinem Kaff kellnert, bis er bei den Jesuiten aufgenommen wird, und erzählt, dass er keines seiner Bücher selbst geschrieben hat.
Das sind nur Fetzen dessen, worum es in O'Briens Romanen geht. Es geht nämlich außerdem noch viel um Fahrräder, Saufen und Schafe. Und absurde wissenschaftliche Theorien. Und das Leben in Irland. Und den Tod. (Hab ich jetzt alles?)
James Joyce hat "At Swim-Two-Birds" auch mal gelesen und fand es ganz toll. (Joyce fand einige Bücher toll, die auch wirklich toll sind, nur hat das niemanden so richtig interessiert, ausgenommen ein paar Kritiker. Italo Svevos "Zeno Cosini" ist noch ein Beispiel.) Joyce soll darüber gesagt haben: "Hoffentlich merken die Kritiker, was ihnen bei 'Ulysses' entgangen ist: Dass es ein komisches Buch ist."
Moment – "Ulysses" ein komisches Buch? Vielleicht sollte ich noch mal…
Wenn das so weitergeht, werde ich nie mit meinem Kram fertig.
Ihr macht Euch in der Zwischenzeit aber bitte mit Herrn O'Brien bekannt.

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