Dienstag, Juni 24, 2008

Dienstag, Musik und Text



Die Blankeneser Idylle wackelt. Einmal wegen des Mülls. Der wurde früher, wenn er aus Papier war, nett gebündelt und verschnürt am Straßenrand eingesammelt, gleich mit den Gelben Säcken. Gestern klingelte dann eine besorgte Nachbarin Sturm und erklärte jedem im Umkreis von hundert Metern, wir hätten längst wissen müssen, dass das nicht mehr geht, und der Müllmann würde sie jede Woche anbrüllen, obwohl sie die einzige sei, die nie Müll an die Straßenecke stellt. So lernt man dann endlich auch mal den Rest der Nachbarschaft beim Papiermüllwiederinshausholen kennen. Anobella freut sich, weil ich jetzt wieder zum Wertstoffhof fahren muss. Sie findet, Müll sei so ein Thema in meinem Leben. Das schließt sie einmal aus meiner Kurzgeschichte in "Hell's Bells", und dann hätte ich ihr nicht von den Gelben Säcken erzählen dürfen, die ich mal tagelang im Kofferraum und dann sogar von Hamburg nach Berlin, weil die Stadtreinigung Hamburg gestreikt hatte ... aber das ist eine andere Geschichte, und die hört sich jetzt viel wahnsinniger an, als sie in Wirklichkeit war.
Na ja der andere Störfaktor meines bis dato perfekt eingespielten Blankenese-Alltags ist der Umstand, dass mein Lieblingssupermarkt zumacht. Einmal, weil das Gebäude abgerissen wird, das ist ein guter Grund, dann sagte der Marktleiter - der, der jeden mit Handschlag und Namen begrüßt hatte -, die zukünftige Konkurrenz am Bahnhofsplatz, wo die Blankeneser Einzelhandelsladenstruktur ermordet und mit Rewe, MiniMal und Penny ersetzt wird, ginge ihm jetzt schon auf den Keks. Deshalb gibt es diese Woche alles für minus 20%, und zum ersten Mal seit bestehen des Ladens muss er alle zwei Kassen den ganzen Tag offen haben. Ich freue mich also auf mehrere Jahre Baustelle an der Ecke Elbchaussee und den unfreundlichen anderen Feinkostladen, bis Rewe aufgemacht hat, die bügeln dann die unpersönliche Atmosphäre mit Öffnungszeiten bis 22 Uhr aus, was mich an Berlin erinnert und so gesehen wieder glücklich macht.
Geschichten vom Wertstoffhof, der hier Recyclinghof heißt, gibt's dann wahrscheinlich demnächst, obwohl ich fürchte, dass die hier lange nicht so witzig sind wie in Zehlendorf. Ja ja man soll ja nicht dauernd vergleichen.

13 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was machsten du so früh auf? Wie gut, dass meine Milchtüte nicht so hopst...

Henrike hat gesagt…

GERADE rufe ich die stadtreingung an, und da heißt es, dass die müllmänner der nachbarin UNFUG erzählt haben. wir DÜRFEN noch alles an die straße legen!
*rollt mit den augen

Anonym hat gesagt…

Nun ja, wie Du schon sagst, alles hat seine Vor- und Nachteile. Zumal mir eine unpersönliche Atmosphäre beim Einkaufen schon immer lieber war als eine persönliche - was gibt es Schlimmeres als die Frage: "Kann ich ihnen helfen?" ;-)

Anonym hat gesagt…

Liebes Licht,

da muss ich dir ganz heftig widersprechen. Das Unpersönliche ist der Kältetod unseres Lebens: Gefühllosigkeit, Desinteresse, emotionale Verarmung... Mich schaudert's, wenn ich nur dran denke.

Henrike hat gesagt…

ich kann mich noch nicht so ganz beruhigen, vor allem über den satz "da hatten die kollegen vom außendienst wohl keine lust." die kollegen vom AUSSENDIENST! hahaaa!
und georg, du hast ganz recht. es lebe der einzelhandel!

Anonym hat gesagt…

Lieber Georg,

wo ist da der Widerspruch? Glaubst Du etwa im Ernst, daß das Persönliche im Einzelhandel auf echten, nicht oberflächlichen Gefühlen beruht? Für mich ist das nur kommerzielle Show, die aber wohl genau das repräsentiert was die meisten Menschen heute unter "echten" Gefühlen verstehen. Ganz abgesehen davon ist Unpersönlichkeit für mich genauso eine Bedingung von wahrer Freundschaft/Liebe wie Individualität für Gemeinschaft unabdingbar ist.

Henrike hat gesagt…

du meine güte, mein blankeneser feinkosthändler soll mich doch nicht heiraten, aber er soll dinge zu mir sagen wie: "aaaah, frau heiland, hat ihnen der grauburgunder geschmeckt? ja? ich hab ja noch mal extra beim winzer nachbestellt, hier, nehmen sie, die ist umsonst." DAS sind wahre gefühle, ha!

Anonym hat gesagt…

Ich will hier gar nicht weiter drauf rumreiten. Aber.Ich meinte es schon ernst.

Wahre Gefühle sind immer wahre Gefühle. Show ist immer nur Show. Und dazwischen gibt es unendlich viele Zwischenstufen. Ich habe mich im Einzelhandel schon verliebt (mit allen Konsequenzen, wunderschöne und sehr traurige), ich habe viele interessante Menschen kennengelernt, und ich freue mich immer, wenn mich mitten im Laden einer oder eine anlächelt. Oder wie vorhin eine umarmt, und wir schön miteinander plaudern für zehn Minuten.

Deswegen: Eine Lust auf Unpersönliches ist für mich das Grausigste, was es gibt. Damit blockt man alle Gefühle von vornherein ab. Wie man so leben kann, weiß ich. Aber wie man so leben will, das werde ich in meinem Leben nicht mehr verstehen.

Anonym hat gesagt…

@Henrike: Nun ja, Realität entsteht im Kopf und wenn es für Dich wahre Gefühle sind, dann ist es auch so. Sprach ja auch nur von meinem Verständnis bzw. warum ich Einzelhandelsgeschäfte eher nicht mag. ;-)

Anonym hat gesagt…

@georg: Unpersönlichkeit heißt für mich nicht, daß ich keine Gefühle zulasse (auch wenn ich zugegebenermaßen dafür oft sehr lange brauche), aber darauf kann ich jetzt nicht näher eingehen, da ich zu einer Besprechung muß... *seufz*

Anonym hat gesagt…

Blöde Besprechungen immer. Gestohlene Lebenszeit meist.

Aber wir müssen das nicht ausdiskutieren...

Henrike hat gesagt…

müssen wir wirklich nicht. ich MAG es, wenn sie mich im laden kennen und wissen, was ich gerne mag, ob's nun um klamotten oder lebensmittel oder bücher geht. ich werde wahnsinnig, wenn ich irgendwo reinkomme, keinen verkäufer finde, und wenn, dann hat er oder sie keine ahnung, was ich will. nee, das geht gar nicht. das ist wie zum frisör gehen und mal eben irgendeine frisur bekommen, weil sie halt gerade da ist, die frisur. oder so ähnlich.

Anonym hat gesagt…

Ja, schon ein wenig gestohlene Lebenszeit (Besprechung fing erst mit 15 Minuten Verspätung an *seufz*), aber letztlich hat es dann doch mit der Festlegung der Staatsexamensthemen geklappt... ;-)
Glaube auch nicht, daß wir das ausdiskutieren müssen, Gefühle und Denken passen sowieso nicht zusammen bzw. viel zu oft werden Gefühle zerdacht bzw. totargumentiert oder bleiben davon gänzlich unbeeinflußt. Auf jeden Fall kann man Unpersönlichkeit nicht nur negativ, sondern auch positv sehen, zum Beispiel in dem Sinne, daß man nicht aufdringlich ist bzw. dem anderen seine Privatsphäre läßt.