Samstag, August 25, 2007

Rumänische Gastfreundschaft

Nachmittag in München. Sitze mit C im Lokal beim zweiten Mittagessen oder dritten Frühstück, je nachdem. Fühle mich entsetzlich voll und will nie wieder etwas essen. C schlägt vor, ins Restaurant ihres Bruders zu wechseln und dort noch eine Cola zu trinken.
Im Restaurant des Bruders sind auch Cs Eltern. Werde gezwungen, etwas zu essen, weil Mama heute kocht. Bestelle winzige Mädchenportion Spaghetti und erhalte doppelte Männerportion. „Das Kind muss essen", sagt die Mama und bleibt neben dem Teller stehen, bis die Hälfte gegessen ist. Danach übernimmt der Bruder die Esswache, bis der Teller leer ist. Fühle mich entsetzlich gemästet.
Der Papa kommt und will wissen, was ich so mache. Kann nicht mehr reden, weshalb C erklärt, dass ich gerade ein Buch schreibe, in dem es unter anderem um moldawischen Menschenhändler geht. Halbstündiger Vortrag über die Geschichte Moldawiens folgt. Ein paar rumänische Vokabeln übersetzt C.
Mama legt mit Kuchen nach, den niemand bestellt hat, und bleibt so lange stehen, bis wenigstens die Hälfte aufgegessen ist. Papa beendet den Vortrag über Moldawien und behauptet, niemand interessiert sich für Moldawien oder Rumänien, ich soll das mit dem Buch lieber lassen. C erklärt, dass ich einen Krimi schreibe, und Papa behauptet, dass kein Mensch Krimis lesen will. Als ich ihm verrate, dass es ziemlich viele Krimis in Buch und Film gibt, beschwert er sich über das zu große Interesse an Krimis und besteht darauf, dass historische Sachbücher das einzig Lesenswerte sind. Kann mich mittlerweile nicht mehr bewegen wegen Kuchen. C erklärt, dass ich im letzten Krimi durchaus historische Aspekte habe, die auf Tatsachen wie Vertreibung der Deutschen aus dem Osten zurückgehen. Vortrag über europäische Staatenbildung seit dem römischen Reich folgt, zum Teil auf Rumänisch, und endet in Streitgespräch über Einzelaspekte der Weimarer Republik.
Mama legt Tiramisu nach, die größte Portion seit der Erfindung dieses Zeugs. Mit extra Sahne und Schokosoße. Bleibt stehen, bis mindestens die Hälfte aufgegessen ist. Bruder kommt dazu und fragt, ob man vom Schreiben leben kann.
Kann mich weder bewegen, noch reden, noch denken, weil alles zu Verfügung stehende Blut mit Verdauung beschäftigt ist. C erklärt das ein oder andere über das Geldverdienen. Ein Vortrag von Papa über die Geschichte des Kommunismus folgt, diesmal auf Rumänisch. Verstehe seltsamerweise jedes Wort. Bruder will jetzt signierte Exemplare von allen meinen Büchern haben. Sein Kellner auch.
Kriechen um 22 Uhr auf allen vieren zum Ausgang. C raucht eine Verdauungszigarette und ich erzähle die Geschichte von der Möwe im Hafen von Crail, die einen riesigen Fisch unzerkleinert verschlungen hat und danach nicht mehr fliegen konnte, bis sie ihn wieder ausgekotzt hat. Wir denken kurz darüber nach, rollen dann aber unverrichteter Dinge weiter zum Auto.

1 Kommentar:

Alice Gabathuler hat gesagt…

OH! Darf ich das nächste Mal mitkommen? Ich esse fürs Leben gerne.

Alice